Während die traditionellen alten Fastenmethoden eine oder bis zu mehreren Wochen Tees und Gemüsebrühen vorschlagen, empfiehlt die Ernährung nach chinesischer Medizin z.B. Getreidekuren, da die Nulldiät in den meisten Fällen zu sehr auf die Substanz geht. „Wenn jemand sehr dick ist, viel schwitzt, einen hochroten Kopf hat und schon kurz vor dem Herzinfarkt steht, wird ihm eine kurze Nulldiät vielleicht gut tun. Ich würde das aber auf jeden Fall nur unter ärztlicher Kontrolle machen. Allen anderen rate ich davon ab“, so Ernährungsexpertin Dr. Claudia Nichterl. Sie vertritt vor allem die Philosophie der traditionellen chinesischen Medizin und kombiniert diese mit Metabolic Balance. Denn beide Konzepte berücksichtigen immer den individuellen Typ, jeweiligen Stoffwechsel oder Schilddrüsenprobleme des Menschen und „scheren nicht alles über einen Kamm“. Allgemein sucht sich die Expertin „immer die besten Ideen zusammen“.

Fasten mit Getreide und Gemüse findet Claudia Nichterl sowieso lustvoller „und der Gewichtsverlust ist fast genauso hoch wie beim Nullfasten – mit dem Vorteil, nicht Muskelmasse zu verlieren“. Denn Nicht-Essen und nur Wasser oder Brühe zu trinken bedeutet auch, Muskelmasse und Eiweißanteile im Körper zu verlieren.

„Das sieht man heute schon kritisch, deswegen wird auch gar nicht mehr so viel Nulldiät empfohlen. Es gibt zudem modifiziertes Fasten, mit gedünstetem Gemüse und das hat genauso einen Effekt“, weiß Claudia Nichterl. Gegen wöchentliche Fastentage spricht ihrer Meinung nach aber nichts: Ein bis zwei Mal in der Woche einen Gemüse-, Suppen-, Erdäpfel- oder Reis-Gemüse-Tag einzulegen oder nach dem Wochenende zu beschließen, dass man am Montagabend nichts isst, ist durchaus legitim.

Essen mit Rhythmus

Was heute als „Dinner Cancelling“ bekannt ist, kannten die alten Chinesen schon längst. Und sie wussten auch schon lange um den regenerierenden Effekt – heute auch „Anti-Aging“ genannt. Da wären wir auch schon bei den Ideen der Neuzeit. Was sich nämlich zunehmend durchsetzt, ist das intermittierende Fasten (intermittere = unterbrechen; aussetzen). Sicherlich auch, weil die totalen Rückzugsmöglichkeiten zeitlich und räumlich heutzutage nicht so gegeben und im normalen Alltagsstress nicht leicht umsetzbar sind.

Aber wie bereits erwähnt: Allein schon der Verzicht auf das Abendessen bringt’s und wirkt sich positiv auf die Gewichtsabnahme aus. Denn wenn das Abendessen ausgelassen wird, kommt es zu einem leichten Absinken des nächtlichen Glukosespiegels im Blut. In der Nacht kommt es zudem zu einem Anstieg der Melatoninproduktion sowie zu einer Neubildung von Wachstumshormonen.

Und jetzt kommt’s: Wachstumshormone bauen Fettzellen ab. „Eine Reduktion der Nahrungsaufnahme entlastet das Verdauungssystem und der Körper hat dann mehr Ressourcen, um Zellreparaturarbeiten durchzuführen“, so Claudia Nichterl. „Man schläft besser und die nächtliche Hormonproduktion wird optimiert. Wenn man dann noch gezielt Lebensmittel zu sich nimmt, die viele Vitamine und Mineralstoffe liefern, hat das zusätzlich einen Effekt auf die Gesundheit sowie auf die Schönheit, auf die Haut und auf das generelle Wohlbefinden.“

Über kurz oder lang

Für die, die vor allem auf das Abendessen nicht verzichten können, ist die so genannte „Warrior Diet“ von Ori Hofmekler eine Alternative. Diese klassischen „Abendesser“ – das können aber auch Frühstücker oder Mittagesser sein – essen ein Mal am Tag ordentlich, bis sie satt sind. Dann wird 20 Stunden gefastet. Beim „Leangains-Protokoll“ von Martin Berkhan wird ein täglicher Wechsel zwischen 16 Stunden Fasten und acht Stunden Essen empfohlen. Die Uhrzeit ist nicht so wichtig, nur das Intervall. D.h., wenn von 10 bis 18 Uhr gegessen wird, dauert die Fastenzeit von 18 bis 10 Uhr am nächsten Tag.

Bei „Eat-Stop-Eat“ rät Brad Pillon, nur ein bis zwei Mal die Woche zu fasten, dafür aber länger. Hier beträgt die Fastenzeit 24 bis 36 Stunden – jedoch sollte es immer so angelegt werden, dass man am Tag vor bzw. nach dem Fasten mindestens eine Mahlzeit hat. Beispiel: Frühstück um 9 Uhr am Montag und nächste Mahlzeit wieder am Dienstag 21 Uhr. Bernhard Ludwig nennt seine Methode „10in2“. Das ist für „Alles-oder-nichts-Typen“ und Gern-Esser eine Möglichkeit, Gesundheit und Gewicht in Balance zu halten. Es geht darum, zu essen, was man will – jeden zweiten Tag. D.h. einen Tag essen (1), einen Tag fasten (0).

Fastenmethoden: Summa summarum

Letztendlich kommt es immer auf die Energiebilanz an. Es soll im Laufe des Tages eine gewisse Kalorienzufuhr erreicht werden, die man am besten mit Sport und Bewegung unterstützt. Summa summarum sollte die Wochenbilanz stimmen. „Manchen fällt es unter der Woche leichter, die können durch die Arbeitswoche kontrollierter essen und möchten am Wochenende fasten, bei anderen ist es umgekehrt“, weiß Claudia Nichterl aus Erfahrung.

Ihr großes Anliegen ist, die Menschen wieder unabhängig von den vielen Heilversprechen und Lehren zu machen. „Wenn jemand ein Mal im Jahr eine Woche fasten will und es ihm gut tut, dann soll er es -machen und es sich auch nicht ausreden lassen“, so Claudia Nichterl. „Die Menschen sollten wieder dieses Selbstbewusstsein haben, den eigenen Bauch spüren zu lassen – ob man jetzt Rhythmen einhält oder nicht, solange das nicht verkrampft, fanatisch oder mit Zwang ist.

Ich bemerke in den letzten Jahren eine Steigerung von eingebildeten Allergien und Unverträglichkeiten sowie ein dauerndes Schlechtmachen der Nahrung. Dabei sind die meisten keine echten Allergien, sondern Unverträglichkeiten und meist deswegen, weil man zu einseitig isst, sich keine Zeit zum Essen nimmt oder vorwiegend von Industrienahrung lebt. Viele Menschen können nicht einmal mehr selber kochen, weil sie angeblich keine Zeit haben – um dann drei Stunden vor dem Fernseher zu sitzen. 20 Minuten für eine Essenszubereitung werden schon als zu viel betrachtet – dabei braucht eine Tiefkühlpizza auch 20 Minuten im Backofen. In der Zeit habe ich mir schon längst etwas Gutes gekocht.

Für mich ist Kochen essenziell und Lebensqualität. Eine Stunde am Tag meiner Nahrungsversorgung zu widmen ist für mich die Basis. Denn meine Körperzellen sind das, was ich zu mir nehme, und ich bin von der Heilwirkung der Lebensmittel zutiefst überzeugt. Wer sich selbst z.B. eine Karottensuppe kocht, braucht keine Panik zu haben – denn eine Karotte hat noch nie eine Glute beinhaltet.“

 

FASTEN: WAS BRINGT’S

•• Fasten ist reinigend:
entgiftet, entschlackt,
•• steigert die Vitalität,
•• stärkt die Selbstheilungskräfte des Körpers und wirkt sich dadurch positiv
auf die gesamte Gesundheit aus – reguliert u.a. den Blutzuckerspiegel und Cholesterinwerte,
Hautkrankheiten wie Neurodermitis verbessern sich,
•• hat somit einen Anti-Age- 
sowie Better-Age-Effekt bzw. steigert die Lebenserwartung,
•• gönnt dem oft überforderten Verdauungssystem eine Pause. Die Energie kann für andere
wichtige Körpertätigkeiten 
eingesetzt werden wie zum Beispiel für Zellreparaturen,
•• ist ein idealer Einstieg in eine Ernährungsumstellung oder Diät. Denn ein Bruch – also totaler und
schneller Entzug von Zucker, Koffein, Fertiglebensmitteln und Süßigkeiten – fällt den meisten
leichter als z.B. nur die Schokolade wegzulassen oder „ab morgen gesund zu essen …“ ,
•• hilft bei saisonalen Ernährungsumstellungen: In der chinesischen Medizin wird Fasten auch als
Nahrungsumstellung von z.B. schwerer Winterkost auf leichtere Sommerkost eingesetzt,
•• hat eine erleichternde Wirkung – auch seelischer Ballast wird gleich mitverdaut und abgeladen,
•• ist eine gute Gelegenheit, auf sämtliche Reize und Einflüsse von außen zu verzichten und auch
vielleicht gleichzeitig eine Internet-, Handy- oder Facebook-Pause einzulegen …


Magazin Zoë 01/15

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