Die Soziologin Mag. Gabriele Gerhardter leitet die Stabsstelle Innovation & Mobilität im ÖAMTC, ist begeisterte Öffi-Fahrerin, greift aber gelegentlich auch auf das Auto zurück.

Ist die Abhängigkeit vom Auto noch zeitgemäß?

Es ist eher eine Frage der Abkehr vom Massenverkehrsmittel Auto. Österreichweit haben wir einen Motorisierungsgrad von 547 Pkws auf 1.000 Einwohner, allerdings mit großen regionalen Unterschieden: in Wien 380, im Burgenland 640. In ländlichen Regionen, die öffentlich nicht gut versorgt sind, wächst der Autoanteil weiterhin. In den Städten gibt es dafür jedes Jahr ein bisschen weniger Pkws, aber zudem neue Modelle der Mobilität, die mit dem öffentlichen Verkehr verknüpft sind. Die Menschen greifen dann auf diese Mischformen zurück. Man hat noch gerne ein Auto – für Lasten, Kinder, Gepäck. Das wird auch als Freiheit erlebt, jedoch in Verknüpfung mit anderen Freiheiten: etwa der Mobilität in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist das Spannende: Der Wandel wird durch das Angebot erzeugt!

Was kann den Wandel der Mobilität unterstützen?

Wandel gibt es einerseits in dem Konzept, was ein Auto ist. Es wird in Zukunft immer unterschiedlichere Autos geben in Größe, Form und Aussehen. Dazu kommt der Wandel von den Antriebsarten her. Bei den Otto-Motoren senkt sich der Benzinverbrauch immer mehr, die Autos werden immer ökologischer. Aber es kommen auch neue Antriebssysteme dazu: elektrisch, hybrid, Wasserstoff. Diese unterschiedlichen Autos werden in Zukunft alle nebeneinander existieren.

Welche alternativen Konzepte sind schon sinnvoll?

Autofahrer sein muss nicht bedeuten, ein Auto zu besitzen. Car-Sharing ist eine Alternative. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle: Beim Freefloating-Bereich – man verwendet das Auto und gibt es dort zurück, wo man aussteigt – ist Wien mit rund 800 verfügbaren Autos eine der führenden Städte. Weniger Autos gibt es dadurch aber nicht. Car-Sharing hat eine ergänzende Funktion. Am Land hingegen teilen mehrere Menschen wirklich ein Auto, meist das Zweitauto. Das funktioniert gut und ist auch günstiger. Auch Mitfahrnetzwerke oder gemeinsames Pendeln funktionieren dort sehr gut.

Auf der Straße schaut der Verkehr oft wie ein Kampf aus: Fußgänger gegen Autos, Räder, Busse …

Ich erlebe es gar nicht so, weil in 99,9 Prozent der Fälle funktioniert es gut. Es gibt natürlich Reibungsflächen und das sind meist wirklich Flächenfragen. Besseres Flächendesign, klar gekennzeichnete Wege, gut geregelte Kreuzungspunkte und vor allem ein bisschen Respekt den anderen Teilnehmern gegenüber reichen meist schon.

Zoë-Interview 2015

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