Kosmetik hat einen großen Stellenwert, wenn es um das Thema Schönheit und deren Erhaltung geht. Da die Haut das Sinnesorgan ist, bei dem Altern am offensichtlichsten wird, wurde der Schönheitstrend und Begriff Anti-Aging die letzten Jahrzehnte in der Kosmetikindustrie ziemlich überstrapaziert. Wir haben uns mit Naturkosmetikerin und Make-up-Stylistin sowie ORF-Beraterin (Sendung Konkret) und Zoë-Redakteurin Martina Reitinger darüber unterhalten, was eigentlich die persönliche Schönheit eines Menschen ausmacht. Welche Kriterien in der eher künstlichen Mode- und Medienwelt ausschlaggebend sind und welche direkten Erfahrungen sie mit Menschen und deren „Schönheitsproblemen“ im realen Leben macht.

Was ist Schöheit aus deiner Sicht als Naturkosmetikerin, Make-up-Stylistin und Beraterin?

Schönheit ist eine ganz individuelle Sache. Jeder empfindet Schönheit als etwas anderes und so sollte es auch sein. Sicherlich sehr oft ein Kriterium bei Models ist, dass sie ein möglichst ebenmäßiges und ausdrucksloses Gesicht haben sollen, weil wir dann eine „leere Leinwand“ haben, auf die wir alles projizieren können, was gerade erwartet wird. Jede Charaktereigenschaft, jeder Stil, jede Persönlichkeit. Ob das tatsächlich mit Schönheit zu tun hat, bleibt dahingestellt, denn es ist natürlich eine sehr künstliche Sache.

Gilt das für Frauen und für Männer?

Was die allgemeine öffentliche Präsentation von Schönheit betrifft, glaube ich, dass es bei Frauen intensiver betrieben wird. Ich sehe öfter bei männlichen Models, dass Individualität und Charakter schon mehr im Vordergrund stehen als bei Frauen. Es gibt jetzt auch sehr viele Werbekampagnen, wo bewusst Männer gesucht werden, die keine Schönheiten sind, sondern ihre ganz eigene Ausstrahlung haben.

Schönheitsideale unterliegen ja immer wieder gewissen Modeerscheinungen und kulturellen Einflüssen. Wohin entwickelt sich die Schönheit bei uns heute?

Wir haben in unserer sehr schnelllebigen Zeit so viele Schönheitstrends, die einander sehr schnell ablösen. Aber was sich kaum geändert hat, ist das Schönheitsideal der ganz schlanken, dynamischen Persönlichkeit. Andererseits hat es in den letzten Jahren auch einige Werbekampagnen gegeben, die genau von diesem Muster weggegangen sind.

Wo Menschen jeder Altersklasse, in ihrer eigenen persönlichen Schönheit gezeigt wurden: Menschen aus allen Gewichtskategorien, jeder Hautfarbe, auch mit kleinen „Fehlern“, die trotzdem aber schön sein können. Ich weiß nicht genau, wie wir weitergehen werden, aber ich hoffe, dass sich diese individuellen Tendenzen durchsetzen werden. Das wäre wünschenswert.

In den letzten Jahren hat sich natürlich auch durch die modernen Möglichkeiten sehr viel in puncto künstlicher Ästhetik getan. Ob Haare, Nägel, Wimpern oder Schönheitsoperationen – die sind nicht nur bei älteren Menschen, sondern auch bei der Jugend immer öfter zu sehen.

Ich bin kein großer Freund von Schönheitsoperationen. Jede Operation ist ein Eingriff in die natürliche Funktion des Körpers. Bei vielen Operationen bekommt Fremdkörper in den Körper implantiert. Freiwillig meinem Körper dieses Durcheinander zuzumuten, halte ich für keine sehr gute Idee. Weil es die  Gesundheit und letztendlich à la longue das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl nicht fördern kann.

Es gibt viele Jugendikonen, die zurechtgetrimmt wurden und einem bestimmten Klischee entsprechen, an denen eigentlich nichts mehr Ursprüngliches ist – das hat sicher einen starken Einfluss. Generell sind auch die Medien, die uns umgeben, immer künstlicher geworden. Virtual Reality – alles kann modifiziert und schöngezeichnet werden … Ob das so bleibt? Ich hoffe nicht.

Was ist gesunde Schönheit?

Gesunde Schönheit bedeutet, die Funktionen meines Körpers – ich als Kosmetikerin konzentriere mich auf die Funktionen der Haut – soweit aufrechtzuerhalten, dass sich die Haut bis ins hohe Alter selber regenerieren, schützen und optimal funktionieren kann. Das ist für mich Gesundheit und dann ist auch meine Haut automatisch schön.

Wie sieht es aus mit Schönheit und Alter?

Ein schöner Mensch wird immer ein schöner Mensch bleiben, ganz egal, wie alt er ist. Auch da ist der augenblickliche Schönheitstrend, dass Jungsein auch mit Schönheit, Dynamik, Erfolg usw. verbunden wird – dadurch wird dieses Schönheitsideal sehr oft auf Jugendlichkeit beschränkt. Meiner persönlichen Meinung nach, nein. Ich kenne sehr viele Frauen und auch Männer, die weit über 80 sind und wunderschöne Menschen sind – in jeder Hinsicht.

Erlebst du oft in deinem Berufsalltag, dass sich schöne Menschen unattraktiv finden?

Leider viel zu oft. Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, die sich ihrer eigenen Schönheit und Ausstrahlung überhaupt nicht bewusst sind. Durch den von außen aufoktroyierten Individualismus wurden sie wirklich so weit gebracht, dass sie das gar nicht erkennen.

Was rätst du Menschen, die mit sich überhaupt nicht im Einklang sind?

Ich denke, das Allerwichtigste, um sich selbst als schön zu empfinden und sich selbst zu akzeptieren, ist, sich selbst zu lieben. Wirklich einmal zu schauen, was habe ich denn in mir, was liebenswert ist? Was ist schön an mir? Statt zu schauen, wo ist mein Problem? Wenn wir nicht mit uns selber im Einklang sind und uns selbst nicht akzeptieren und lieben können, wie wir sind, dann werden wir auch nicht schön sein, weil die Ausstrahlung dann fehlt.

Wenn ich mich wohlfühle, wenn ich zufrieden bin mit mir, wenn ich meine Haut, meinen Körper gesund erhalte, dann funktioniert er ja auch besser, und mit dem selbständigen, besseren Funktionieren kommt automatisch als Bonus die Schönheit. Eine gesunde Haut, ein gesunder Körper ergeben einen schönen Körper. Darum geht es zumindest für mich: Körper, Geist und Seele müssen miteinander in Harmonie stehen. Wenn ich das zutande bringe, dann habe ich Schönheit, dann habe ich Gesundheit, dann habe ich Wohlbefinden.

 

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