Wichtige und häufigste Schwindelerkrankungen können heute auch schon ohne langwierige und teure Spezialuntersuchungen abgeklärt und effizient behandelt werden. Die meisten davon schon bei der Erstanlaufstelle – beim Allgemeinmediziner. Denn 75 Prozent aller Schwindelfälle lassen sich auf nur sechs Diagnosen reduzieren und auch mit simplen Methoden klären. Eine Unterscheidung ist jedoch absolut notwendig, um unnötige Untersuchungen zu vermeiden: Schwindelattacken können nicht nur körperliche, sondern durchaus auch psychische Auslöser haben – meist wenn jemand buchstäblich plötzlich im Leben „den Boden unter den Füßen verliert“.

Wenn ich mich an meine neurologische Ausbildung vor mehr als 35 Jahren zurückerinnere, war alles, was die Diagnose „Schwindel“ anbelangt, in der Tat sehr dürftig,“ erinnert sich Dr. Bernd Pommer, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie aus Zell am See. „Nur einige wenige Schwindelformen wurden beschrieben – aus heutiger Sicht fast alle falsch, mit entsprechend unzureichenden therapeutischen Ansätzen.

Erst in den Jahren vor der Jahrtausendwende begann Prof. Dr. Dr.h.c. Thomas Brandt in München mit seinem Team ein wissenschaftlich und klinisch fundamentiertes System mit praktisch anwendbaren therapeutischen Grundlagen in die Diagnostik zu bringen.“ Jeder kennt das Gefühl, denn schwindelig werden kann einem schon mal recht schnell passieren. Zum Beispiel wenn das Gleichgewichtsystem bei einer Karussellfahrt durcheinandergebracht wurde und Gleichgewichtsstörungen, Schwitzen oder Übelkeit bis zum Erbrechen die Folge sind.

Körperliche Ursachen leicht feststellbar

Schwindelanfälle können jedoch ein wichtiges Leitsymptom bei etlichen Erkrankungen sein, wie etwa Erkrankungen des Innenohrs, HerzKreislauf-Leiden oder neurologische Störungen wie die Multiple Sklerose oder auch ein Hirntumor. Verglichen mit anderen Krankheiten, die langwierig erst durch bildgebende Untersuchungen durch verschiedene Institutionen abgeklärt werden müssen, gibt es mittlerweile beim Schwindel eine breite Palette an klinischen Untersuchungen und Techniken, die auch beim Allgemeinmediziner durchführbar sind. „Dadurch sind eine sichere Diagnose sowie Behandlungsrichtlinien gegeben“, so Dr. Pommer.

Arten der Dysbalancen

Eine sehr häufige Art des Schwindels ist der „periphere Schwindel“. Dieser entsteht, wenn das Gleichgewichtsorgan im Innenohr ausfällt oder der Gleichgewichtsnerv geschädigt ist. Die individuelle Wahrnehmung des Betroffenen ist dann so, als würde sich die Umwelt oder sogar er selbst bewegen. Diese peripheren Schwindelformen setzen besonders akut und heftig ein, verlaufen aber in der Regel so typisch, dass in Kenntnis ihrer Symptome und neurologischen Zeichen eine rasche Diagnose und auch Behandlung möglich ist.

Dr. Pommer: „In diesen Fällen lässt sich die Therapie, welche durch eine Art ,Befreiungsmanöver‘ schon auf der Untersuchungsliege erfolgt, sofort durchführen.“ Der durch die Halswirbelsäule verursachte cervikogene Schwindel gehört ebenfalls zu den nach wie vor am häufigsten auftretenden Schwindelarten. Bei dieser Art von Schwindel leiden die Betroffenen nicht unter einem Drehschwindel, sondern unter einem Schwankschwindel oder einer Gangunsicherheit.

Die Beschwerden nehmen häufig bei Bewegung oder nach längerer Zwangshaltung zu und sind oft mit Nackenschmerzen verknüpft. Sie können Minuten oder bis zu mehreren Stunden andauern. Hier liefern Röntgenbilder der Halswirbelsäule meist die nötigen Beweise. Bei akuten, lebensbedrohlichen, mit Schwindel einhergehenden Hirnstammereignissen, wie zum Beispiel bei einem Schlaganfall, kann das rasche Erkennen und Handeln lebensrettend sein. In diesen Fällen sind klinische Abklärungen unbedingt erforderlich. Folgende Unterscheidungskriterien sollten daher gleich beobachtet und beim Arzt bzw. im Spital gleich angegeben werden:

  • Art des Schwindels: Dreh- oder Schwankschwindel?
  • Dauer: Sekunden, Stunden, Tage, Wochen, Dauerschwindel?
  • Auslöser/Verstärkung: Wann tritt der Schwindel auf? Ruhezustand? Bewegung? Lagerung? Lageänderung? Oder in bestimmten Situationen?
Psychische Ursachen nach wie vor unterschätzt

„Unterschätzt werden nach wie vor die psychogenen Schwindelformen“, gibt Dr. Bernd Pommer zu Bedenken. „Dabei ist es gerade diese Form, die meistens eine Vielzahl an unnötigen Untersuchungen nach sich zieht und zu falschen medikamentösen Strategien führt.“ Die häufigste psychogene Form ist der phobische Schwankschwindel. Er entsteht meistens im Zusammenhang mit starken, außergewöhnlichen sowie plötzlich auftretenden psychischen Belastungen und äußert sich in Stand- und Gangunsicherheiten bzw. einer starken Fallneigung.

 

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