Johanneskraut, Gingko & co – pflanzliche Arzneimittel sind beliebter denn je. Was jedoch die Wenigsten beachten, ist, dass auch Phytopharmaka unerwünschte Wechselwirkungen mit Arzneimittel aufweisen können. Die Zeiten, in denen man glaubte, dass pflanzliche Arzneimittel als natürlich und damit automatisch als so gut wie neben- und wechselwirkungsfrei galten, sind vorbei. Längst liegen sowohl experimentelle Befunde als auch klinische Studien vor, die ein differenzierteres Bild zeichnen. Folgend ein Überblick über wichtige Therapeutika und ihre Wechselwirkungen mit pflanzlichen Präparaten.

Während die Pharmakodynamik die Wirkung von Arzneistoffen im menschlichen Organismus beschreibt (Wirkprofil, Dosis-Wirkungs-Beziehung, Wirkmechanismus und Wechselwirkungen eines Arzneistoffes mit anderen Molekülen) konzentriert sich die Pharmakokinetik auf die Verteilung und Verstoffwechslung im menschlichen Körper. Aufgrund des individuellen Stoffwechsels jedes Menschen, kann aber die Metabolisierung von Arzneistoffen und in weiterer Folge auch deren Interaktionen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Allgemeine Aussagen sind daher nicht möglich, dennoch bestätigen zahlreiche Studien gewisse Interaktionen.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Liselotte Krenn, Pharmakognostin, Department für Pharmakognosie, Universität Wien, hielt beim letzten Allgemeinmedizinkongress in Graz einen Vortrag zu diesem Thema. Dabei gab sie einen Überblick über wichtige Wirkstoffe in Therapeutika und ihre Wechselwirkungen mit pflanzlichen Präparaten oder Nahrungskomponenten.

Studien zu Johanniskraut

Johanniskraut, dessen Extrakte in Form von pflanzlichen Arzneimitteln bei Depressionen verwendet werden, stellt die am umfassendsten untersuchte Arzneidroge dar. Eine Verallgemeinerung ist zwar nicht möglich, jedoch ist Johanniskraut kontraindiziert bei gleichzeitigem Gebrauch Therapeutika mit von folgenden Wirkstoffen:
• Cyclosporin,
• Tacrolimus (systemisch),
• Amprenavir,
• Indinavir,
• Irinotecan.

Studien zu Ginkgo

Auch bei Ginkgoblättern, die in pflanzlichen Arzneimitteln eine therapeutische Option zur symptomatischen Behandlung von degenerativen dementiellen Erkrankungen darstellen, empfiehlt es sich, Präparate drei bis vier Tage vor Operationen abzusetzen. Bei krankhaft erhöhter Blutungsneigung ist eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich. Bei Patienten mit Epilepsie kann das Auftreten von Krämpfen durch Ginkgo begünstigt werden. Weiters ist eine gleichzeitige Verwendung mit Efavirenz nicht empfohlen.

Vorsicht auch bei Nahrungsergänzungsmittel

Im Gegensatz zu pflanzlichen Arzneitmittel (Phytopharmaka) werden Nahrungsergänzungsmittel (NEM) ohne jegliche Prüfungen auf den Markt gebracht. Krankheitsbezogene Aussagen dürfen daher nicht gemacht werden. Nur Warnhinweise, welche Tagesdosis nicht überschritten werden darf, und „Health Claims“ sind erlaubt. Ein Beispiel aus dem riesigen Nahrungsergänzungsmittelmarkt sind die zahlreichen Cranberry-Präparate. „Solche Produkte werden mit eindeutigen Claims für die Prävention oder Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfekten ausgelobt“, erläutert Liselotte Krenn. In diesem Fall ist Vorsicht bei Menschen mit Nieren- und Harnsteinen geboten. Auch Patienten unter Warfarin-Therapie sollten Cranberryprodukte meiden.

Buchtipp:

Stockley‘s Phytopharmaka Interaktionen
Wechselwirkungen pflanzlicher Arzneimittel

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
ISBN 978-3-8047-3733-4
www.wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de

 

 

 

 

 

 

Infos zu den einzelnen Wirkstoffen:

Ciclosporin: Dieser Wirkstoff gehört der Gruppe der Immunsuppressiva an und wird aus den norwegischen Schlauchpilzen Tolypocladium inflatum und Clindrocarpon lucidum gewonnen. Eine Immunsuppression kann infolge von Krankheiten oder erhöhter Belastung auftreten, aber auch eine gezielte Therapie sein. So setzt man sie vor allem nach einer Organtransplantation oder bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen ein.

Tacrolimus: Wird als selektives Immunsuppressivum gegen Abstoßungsreaktionen bei der Organtransplantation verwendet. Tacrolimus-haltige Salben stellen eine Alternative zu den topischen Glucocorticoiden beim atopischen Ekzem sowie off-label bei Lichen sclerosus et atrophicus (LSA) und anderen Dermatosen dar.

Amprenavir ist ein Proteaseinhibitor, der zur Behandlung von HIV-Infektionen verabreicht wird.

Indinavir kommt in der Therapie von HIV-Infektionen zum Einsatz kommt.

Irinotecan ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung bestimmter Krebserkrankungen eingesetzt wird.

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