Ob Flüchtlinge, Pensionisten, Gefängnisinsassen, Menschen mit Behinderungen oder Suchterkrankungen – Unternehmen gehen neue Wege in ihrer Mitarbeiterauswahl. Damit schaffen sie neue Win-Win-Situationen und sind dabei auch noch groß im Geschäft. Hier zwei sinnvolle und schöne Konzepte.

1. Das magdas Hotel

Als das magdas Hotel in Wien im Prater eröffnete, öffnete es gleichzeitig vielen Menschen die Augen, dass es auch anders geht. Denn mit der Eröffnung wurden vielen Menschen neue Türen zu einem neuen Leben geöffnet. Nicht umsonst heißt der Leitspruch: „stay open minded. Suche das Besondere“, und er ist fürwahr nicht nur so dahin gesagt. Zudem passiert das gesamte Unternehmenskonzept  auf der Social Business-Idee „Wirtschaftlich denken. Sozial handeln“.

So arbeiten im magdas 20 anerkannte ehemalige Flüchtlinge und zehn Hotel-Profis aus 16 Nationen. Zusammen stellen sie ein außerordentliches Potential dar. Das magdas Hotel setzte darauf, dass gerade Menschen, die aus dem Ausland zuziehen, den Hotelbetrieb stärken, da sie Fähigkeiten, Talente, Sprachen und kulturelle Backgrounds einbringen und damit eine besondere Positionierung am Hotelmarkt ermöglichen – gemeinsam sprechen sie über 20 Sprachen. Der Erfolg des letzten Jahres gibt dem Unternehmen recht. Finanziert wurde der Umbau des ehemaligen Caritas-Seniorenhauses durch eine Crowdfunding-Aktion.

Um mit den geringen Mitteln auszukommen, wurde von Anfang an auf Re- und Upcycling gesetzt. So wurden Einbauschränke des Seniorenheimes zerlegt und zu Tischen, Lampen und Bänken umfunktioniert. Aus alten Türen wurden neue Spiegel, aus Kofferablagen Garderoben und aus halbierten Sesseln Nachtkästchen. Freiwillige Helfer strickten Lampenschirme oder bearbeiteten den Garten. Sachspenden und Möbel aus dem Caritas-Lager ergänzen die Hotel- und Zimmerausstattung und beweisen, dass Engagement, Flexibilität und gute Ideen, geringe finanzielle Mittel allemal wettmachen.

2015 wurde das magdas Hotel dafür mit dem Österreichischen Staatspreis für Design belohnt. Für die Menschen mit Fluchthintergrund, die mit anfänglichen Schwierigkeiten der Sprache und Ressentiments vieler Arbeitgeber kämpfen, ist das die Chance, hier Fuß zu fassen und einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen.

Infos:
magdas-hotel.at

2. Cafe Vollpension

Wenn man in das Cafehaus Vollpension in der Wiener Schleifmühlgasse hineingeht, steigt einem gleich der Duft des hausgemachten Kuchens in die Nase und lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Dabei trügt die Nase nicht. Denn es riecht nach echtem Oma-Kuchen und nicht nach künstlichen Backmitteln. Hier backen nämlich auch echte Omis nach ihren alten Rezepten. Wie man an der ganzen Einrichtung schon sieht, ist das ganze Konzept auf den liebevollen Oma-Style ausgerichtet.

Social Business dient Menschen und Unternehmen – das ist hier nicht zu übersehen. Die „Vollpension“ ist mit seinem Angebot einmalig und außergewöhnlich und zieht viele Leute an, die gerne wieder kommen. Zudem kann das „Vollpension“ der Altersarmut und Vereinsamung von älteren Menschen im urbanen Raum entgegensteuern. Die aktiven betagten Damen, die nach wie vor gerne unter jungen Leuten sind, freuen sich, ihr Wissen und Talent einzubringen, und verdienen sich zur Pension etwas dazu. Es ist ein schönes generationsübergreifendes Konzept, das einem alles gibt, was das Herz begehrt.

Infos:
vollpension.wien

Weitere Upcycling- & Social-Business-Projekte:
tag.werk (tagwerk.at)

Das Grazer Jugendbeschäftigungsprojekt der Caritas (für Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren) ist auf individuelle Taschen aus recycelten Werbe- und Zelt-Planen, Lederbekleidung und sonstigen Alttextilien spezialisiert.

endlich*store (endlich.at)

Der Innsbrucker Verein sieht sich als ein Kollektiv und Plattform zur Förderung von regionalem (Kunst-)Handwerk. Als ein Ort, der Platz für Schönes, für Altes, für Neues, für Traditionelles, für Modernes, für Großes und Kleines, für Nützliches und Unnützes – aber in jedem Fall für Besonderes bietet.

Steinwidder remade fashion (steinwidder.com)

In diesem Wiener Shop gibt es gebrauchte Kleidung, die zerschnitten oder zerrissen in einen themengebundenen Kontext neu zusammengesetzt wird. Konkret werden hier Socken und ausrangierte T-Shirts anhand einer Art Baukastenprinzip zu neuen originellen Kleidungsstücken.

kontiki (designschenken.at)

Aus recycelten Fahrradschläuchen und Rennradmänteln werden coole Taschen und Accessoirs mit ökologischen Materialien kombiniert. Beheimatet in Wien.

km/a (kmamode.com)

Das Angebot sind Unikate aus meist ungewöhnlichen Materialien als Gegenpol zum Kleiderkonformismus von der Stange – wie z.B. Jacken und Kleider aus Fallschirmen, Mäntel aus gebrauchten Armeedecken unterschiedlichster Länder und Parkas und Trenchcoats aus gebrauchten Zeltplanen.

Freitag (freitag.ch)

Seit 1993 stellt Freitag schon Taschen und Accessoirs aus gebrauchten Lkw-Planen und Autogurten her. Stores gibt es mittlerweile schon international. Im deutschsprachigen Raum in Zürich, Berlin, Hamburg, Köln, Lausanne und Wien. Nun haben die Freitag-Brüder auch einen speziellen Stoff entwickelt, der aus europäischen Bastfasern, Hanf und Leinen sowie aus Modal besteht. Das Besondere daran: das robuste Gewand ist so gut wie nicht giftig und somit kompostierbar.

Kellerwerk (kellerwerk.at)

Einem Afrikaaufenthalt, bei dem man nicht alles kaufen konnte, sondern alles reparieren, umbauen oder ausbessern musste, war der Impuls für die Geschäftsidee in der Wiener Gumpendorfer Straße. Hier werden alte Möbel und Alltagsgegenstände aufgepeppt oder deren Funktion neu erfunden. Es gibt Möbel, Lampen, Accessoires, Taschen und Schmuck.

Ruffboards (ruffboards.com, neustart.at)

Longboards von Exhäftlingen gemacht. Aus ausgedienten Snowboards werden einfach neue Longboards gemacht. In der Hinterhofwerkstätte in Wien Währing schneidet diese ein ehemaliger Häftling mit seinen zwei Geschäftspartnerinnen aus ausgedienten Snowboards. Doch nicht nur Longboards wird somit ein neues „cooles“ Leben ermöglicht – auch andere Exhäftlinge erhalten hier einen Wiedereinstieg in ein neues Leben. Ruffboards arbeitet zu diesem Zweck mit dem Verein Neustart zusammen, der sich zur Aufgabe gemacht hat, sowohl Tätern als auch Opfern zu helfen und Resozialisierungshilfe für Straffällige anzubieten.

Milch (milch.tm)

Das Unternehmen produziert Materialien, die aus Kleider- und Sachspenden stammen und verwandelt klassische, pensionierte Männeranzüge in Mode für Frauen und Männer. Herrenhosen und -hemden werden zu Kleidern, Röcken, Westen, Kappen und Accessoires wiederverwertet. Sowohl ökologische als auch gesellschaftliche Aspekte werden in der gesamten Produktionskette berücksichtigt. Das Rohmaterial kommt aus Wien und wird eben im sozialökonomischen Betrieb Merit und im Weinviertel bei Johanna weiterverarbeitet.

Gary Sanders (garysanders.com)

Die Spezialität des Künstlers liegt darin, offensichtlich zu zeigen, dass das schöne neue Stück einmal etwas anderes war. So entstehen edle Lampen, Tische und Sitzgarnituren aus allen möglichen Dingen wie z.B. Schlagzeugtrommeln. Das Ausgangsmaterial findet er meist auf Flohmärkten oder in Trödelläden.

Heath Nash (heathnash.com)

Wie cool anderer Leute Müll sein kann, beweist auch der Südafriker Heath Nash. Seine Taschen, die mit einer alten, finnischen Flechttechnik hergestellt werden, kann man z.B. by garbarage beziehen. Als er in Wien war, hat er dem Team spontan die Technik beigebracht.

Magazin Zoë 05/16

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