Upcycling Food hat viele junge Triebe, die nur so vor Ideen sprießen. Viele Initiativen sind wie Schwammerln aus dem Boden geschossen. Organi­sationen wie foodsharing oder „dumpster diving“ oder auch „containern“ setzen sich gegen die immense Lebensmittelverschwendung ein und sorgen dafür, dass durchaus genießbares Essen nicht am Müll landet sondern verteilt wird. Dann gibt es noch die Gruppe der Pirate- oder Guerilla-Gardeners, die Samenbomben schmeißen und dafür sorgen, dass die Umgebung aufblüht. Dazu gesellen sich die vielen Urban-Gardeners – vom Fensterbrett-, Balkon- oder Terrassengärtner bis hin zu großen Gemeinschaftsgärten und -feldern.

Jährlich werden es mehr, die ihr eigenes Gemüse und Obst anbauen wollen. Andere engagierte Organisationen, sowie der Verein Arche Noah, beschäftigen sich wiederum mit der Erhaltung und Verbreitung alter Kulturpflanzen. Sie bewahren deren Samengut und schützen sie vor der Ausrottung durch die Industrie. Als ein guter Nährboden für soziale Aspekte in der Stadt haben sich „essbare Städte und Gemeinden“ erwiesen. Hier werden freie Grünflächen zur Verfügung gestellt, damit sich quer durch den Gemüsegarten alle gemeinsam daran erfreuen können. Ein schönes Beispiel dafür ist auch der „Garten der Begegnung“, bei dem freiwillige Flüchtlinge und Einheimische gemeinsam anbauen und ernten, was sie säen: zusammen wachsen und gedeihen – in jeder Hinsicht.

Die Menschen haben künstliche Produkte langsam aber sicher satt. Der erdige Drang nach naturbelassenen, regionalen Lebensmitteln, das Wissenwollen um deren Herkunft und Herstellung ist ein Trend, der sich in den letzten Jahren deutlich abzeichnet.

Arche Noah

Einer der ersten Initiativen, die sich vor allem um die Erhaltung ursprünglicher Pflanzen einsetzt, ist der Verein Arche Noah in Schiltern in Niederösterreich. Vor mehr als 25 Jahren schloss sich ein bunter Kreis an Privatpersonen, Gärtnerinnen, Bäuerinnen sowie Journalistinnen zusammen, die gemeinsam daran interessiert waren, Samen alter Kulturpflanzen zu retten und diese vor dem Aussterben zu bewahren.

Denn die große Wende in der Saatgutregelung stellte einen massiven Eingriff in die Autonomie der Bauern und Hausgärtner dar sowie eine beunruhigende Machtübernahme seitens der Konzerne über Pflanzen generell. Denn der Trend zu Hybridpflanzen oder auch „Einwegpflanzen“ genannt ist bedenklich, weil sich diese nicht mehr vermehren können und deren Verkauf in der Hand der Konzerne liegt. „Auf Grund der Saatgutgesetzgebung wurden viele Sorten einfach nicht mehr zugelassen,“ erklärt DI Marion Schwarz, zuständig für Presse & Öffentlichkeitsarbeit bei Arche Noah, die Ausgangslage.

Wende in der Saatgutregelung

„Gleichzeitig wurde der Kreislauf auf Bauernhöfen unterbrochen. Früher lag das Samenkorn bis zur nächsten Aussaat beim den Bauern. Diese hoben pro Ernte einen Teil des Getreides auf, um es im nächsten Jahr wieder anzubauen.

Das war plötzlich nicht mehr möglich, weil das Saatgut aus Züchtungsbetrieben kam und viele Sorten lizenziert wurden. Die Bauern mussten Saatgut zukaufen, das allerdings so manipuliert wurde, dass es nicht mehr samenfest war. Somit waren sie gezwungen, jedes Jahr Saatgut zu erwerben, da die Pflanzen aus diesen Samen nicht mehr wuchsen. Das ist natürlich ein gefährlicher Prozess der Entmachtung, Verlust an Souveränität und an Autonomie; aber eben Teil unserer gesellschaftlichen Entwicklung,“ erläutert Marion Schwarz.

Am besten alles gleich!

Diese unglückliche gesellschaftliche Entwicklung hing mit der Industrialisierung und der Zunahme an großen Lebensmittelketten zusammen. Gemüse und Obst müssen dafür andere Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen möglichst schnell wachsen, gleichzeitig zu ernten sein, gleichförmig gewachsen sein und sich gut transportieren bzw. auch lagern lassen. Da alte Kulturpflanzen naturgemäß diese Voraussetzungen oft nicht erfüllten, verschwanden sie immer mehr von den Tellern.

„Dabei ist vor allem in den Hausgärten der Anspruch total konträr,“ meint Marion Schwarz. „Hier sollte das Gemüse möglichst lange Erntefenster haben, sodass man über möglichst lange Zeit immer wieder Gemüse hat.“ So fuhren die Arche Noah-Begründer anfänglich durch die Lande, um Saatgut alter Kulturpflanzen von Gemüse, Kräuter, Heil- und Zierpflanzen, sowie Feldfrüchte wie Erdäpfel aber auch Obst- und Beeren zu sammeln.

„Wir sprachen mit Bauern, Landwirten und Hausgärtnerinnen – wie früher wurde über dem Gartenzaun das Samengut über jahrhundertelang getauscht“, schildert Marion Schwarz. „Diese Tradition haben wir wieder aufleben lassen. Das ist nach wie vor eine Vision und Grundidee von Arche Noah – sammeln, erhalten, nutzen, entwickeln und dann aber auch weitergeben. Nicht horten und verschließen in einem kleinen Raum, sondern wirklich auch wieder in die Gärten und auf die Teller bringen.“

Der „ewige Kohl“ und „Erdbeerspinat“

Der „ewige Kohl“ oder „Erdbeerspinat“ – noch nie gehört oder gesehen? Dank Arche Noah gibt es beides noch. Das Samenarchiv der Arche Noah ist inzwischen das größte Europas und ermöglicht den Fortbestand von nicht weniger als 6.000 Kulturpflanzen vor Ort. Ein großes Netzwerk an Mitstreitern und Förderern, Pflanzenpatenschaften, Sortenerhaltern und über 15.000 Mitglieder haben sich um die engagierte Organisation gebildet und sorgen wiederum für deren Fortbestand.

Zahlreiche Partnerbetriebe mittlerweile auch in allen Bundesländern vertreten, verbreiten Jungpflanzen, Samen und vor allem auch das Wissen darum. Sie sorgen dafür, dass die bunte Vielfalt an ursprünglichem Obst und Gemüse wieder unter die Menschen kommt.

Politisches Engagement

In den letzten Jahren hat sich der Tätigkeitsbereich des Vereines verstärkt in politisches Engagement verlagert, da die letzten Entwicklungen der Saatgutgesetzgebung auf EU-Ebene im Jahr 2014 es notwendig gemacht haben. „Heute genügt es nicht mehr, Samensorten und Jungpflanzen weiter zu geben, sondern wir müssen auch die politischen Rahmenbedingungen dafür absichern,“ erklärt Marion Schwarz die Notwendigkeit.

„Aktuell kümmern wir uns sehr um das Thema Patente. Wir erheben stets Einspruch gegen die immer wieder auftretenden Patentierungen von Pflanzen, Saatgut und Sorten. Wir finden, dass es illegal ist, eine bäuerliche Tomate in ihrem ursprünglichen Zustand patentieren zu lassen und dann von allen, die sie anpflanzen wollen, Lizenzen zu verlangen. Das sollte nicht die Norm werden. Vielfalt ist ein Wert und etwas Schönes. Wir tun uns was Gutes damit, und gleichzeitig sichern wir auch Grundlagen für die Zukunft. Denn niemand weiß, was in 10, 20 oder noch mehr Jahren notwendig sein wird in der Landwirtschaft. Welche Sorten werden wir brauchen? Wie wird sich der Klimawandel auswirken? Wird es im Sommer überhaupt noch regnen? Das sind Fragestellungen, die man vor allem auch mit der Vielfalt an Kulturpflanzen vielleicht lösen kann.“

Hand in Hand werken am Land

Die Tendenz auch in der Stadt Gemeinschaftsgärten und -felder zu bewirtschaften kommt der Idee der zahlreichen Verbreitung alter Kulturpflanzen sehr zugute. Die meisten Selbstanbauorganisationen beziehen ihr Saatgut sowieso bei der Arche Noah oder züchten es selbst. Denn auch sie wollen sicherstellen, dass keine Hybridpflanzen auf ihren Biofeldern landen. Renate Weber von „natürlich und wild“ nimmt es bei ihren Gemeinschaftsgärten hier sehr genau und ist in diesem Punkt sehr streng.

„In vielen hundert Jahren wurden Gemüsepflanzen kultiviert, die heute immer mehr in Vergessenheit geraten. Und so manches Gemüse im Supermarkt hat noch nie ein Krümel Erde gesehen. Mein Gemüse wächst in der Sonne auf dem Beet. Die meisten Arbeiten werden per Hand gemacht. Gedüngt wird mit selbst aufgesetztem Kompost. Und mein Saatgut ziehe ich zunehmend selbst. Der Rest kommt aus kontrolliert biologischen Quellen. Und weil ich die Freude an der Selbstversorgung teilen will, biete ich auch Selbsternteparzellen und Jungpflanzen aus kontrolliert biologischem Anbau an,“ erklärt sie ihre eigentlich auch eher spät entdeckte Berufung aus Leidenschaft zur Natur. Wer möchte – es gibt noch einige freie Parzellen zum Selbsternten in Mödling.

Essbare Städte und Gemeinden

Die kleine Stadtfarm bearbeitet seit fünf Jahren ein vier Hektar großes Feld in der Wiener Lobau und baut dabei auf ein anderes Konzept auf oder besser gesagt „an“. Es bearbeitet nicht jeder seine eigene Parzelle, sondern das gesamte Feld wird von allen bewirtschaftet – und das sind immerhin schon über 60 beteiligte Menschen. Vom Anbauplan bis zur Ernte wird alles gemeinsam geplant, gepflegt und geteilt.

„Es ist sehr stark zu spüren, dass die Menschen einen Bezug zu ihrem Essen haben wollen. Dass sie noch wissen wollen wie Landwirtschaft funktioniert. Das sie beteiligt sein wollen, an dem, was sie essen,“ erklärt Mitbegründer Nikolai Ritter von der „Kleinen Stadtfarm“. „Die kleine Stadtfarm ist ein Verband, der sich gegründet hat, um die Ideen auch politisch vorwärts zu bringen. In Wien gibt es die Wilde Rauke, die Lobauerinnen, den grünen Daumen und ein 2.000 m2 Dach in der Mariahilferstraße. Diese und ähnliche Projekte haben wir alle gebündelt, um politisch sichtbar zu sein, bessere Konditionen für Pacht auszuhandeln, um Menschen zu finden, die mitmachen wollen.“

Der Garten der Begegnung

Vor einem Jahr hatten die „kleinen Stadtfarmer“ die Idee, ihr Konzept unter dem Projektnamen „Garten der Begegnung“ auch in Traiskirchen mit Flüchtlingen umzusetzen. „Bürgermeister Andreas Babler, der für seine außergewöhnliche Politik und Offenheit bereits bekannt ist, gab dem „Garten der Begegnung“ kurzerhand ein Hektar Land gleich neben dem Flüchtlingsheim. „Andreas Babler hat uns diese Fläche frei zur Verfügung gestellt“, freut sich Nikolai Ritter. „Das ist großartig und das eigentliche Prinzip von gemeinsamem Landwirtschaften. Es wird dafür eine Allmende – eine freigestellte Fläche zur Verfügung gestellt. Wo die Politik noch nicht so weit fortgeschritten ist, haben Heinzelmännchen ihr Werk getan. Denn die sogenannten „Guerilla- oder Pirate-Gardeners“ machen es auf ihre Art. Sie verteilen einfach ungefragt „Saatbomben“ mit Blumen- aber auch Gemüsesamen, sodass die gesamte Gegend aufblüht und sich daran bereichern kann.

Der Verein „Die kleine Stadtfarm“ ist ein Verband mehrerer Vereine, die zusammen landwirtschaften. Seit fünf Jahren wird das Konzept schon recht erfolgreich umgesetzt – mittlerweile werken dort über 60 Personen miteinander, und ernten gemeinsam, was sie gesät haben. Nun hatten die „kleinen Stadtfarmer“ die Idee, ihr Konzept unter dem Projektnamen „Garten der Begegnung“ auch in Traiskirchen mit Flüchtlingen umzusetzen. Bürgermeister Andreas Babler, stellte dem „Garten der Begegnung“ kurzerhand ein Hektar Land gleich neben dem Flüchtlingsheim zur Verfügung. Wir waren bei der Eröffnung dabei dieses schönen Projekts dabei.

 

Zoë-Interview 2016

Gesammelte Links und Infos:
Initiativen Samenfestes Samengut

arche-noah.at
reinsaat.co.at

Essbare Städte/Gemeinden

permavitae.org
linz.pflueckt.at
oegg.or.at/schwerpunkte/die-essbare-stadt

Urban Farming

natuerlichwild.at
selbsternte.at
gartenderbegegnung.at
kleinestadtfarm.at
gartenpolylog.org

Pirate-, Guerllia-Gardening

gartengnom.net/guerilla-gardening-stiller-protest-und-gruene-verschoenerung

Essensverteiler & Mülltaucher

foodsharing.at
freegan.at

Diese Link-Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

 

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