Viele Maturanten und Schulabschließer stehen vor dem gleichen Problem. Die Erleichterung nach erfolgreichem Abschluss der Schule ist zwar groß, doch schnell stellt sich auch große Planlosigkeit ein. So war es auch bei Selina Valentina Galanos, die letztes Jahr ihren Abschluss an der Tourismusschule in Wien machte, und danach weder eine Idee hatte, welcher Studienlehrgang für sie geeignet ist, noch Lust hatte, schon ins Berufsleben einzusteigen. Sie beschloss, sich ein Jahr Auszeit zum Nachdenken zu nehmen und diese Zeit sinnvoll zu nutzen und anderen Menschen zu helfen. Kurzum flog Selina nach Bali, um Kindern dort im Zuge eines Entwicklungshilfeprojekts Englisch beizubringen. Hier der abenteuerliche Erfahrungsbericht – als Inspiration für alle, die wann und warum auch immer im Leben eine sinnvolle (R)auszeit brauchen.

Die Gedanken über meine Zukunft kreisten ununterbrochen in meinem Kopf und wurden immer lauter und Verzweiflung machte sich breit. Doch plötzlich drängte sich in mir das Gefühl in den Vordergrund, auf Reisen gehen zu müssen. Ich sehnte mich danach, Neues zu erleben, andere Kulturen zu entdecken und mich von den Menschen inspirieren und begeistern zu lassen. In der Hoffnung, so vielleicht ein Stück mehr zu mir selbst zu finden.

Es sollte jedoch kein klassisches Reisen sein, ich hatte etwas Besonderes vor. Ich wollte meine Zeit dazu nützen, anderen Menschen zu helfen. Also brauchte ich eine Organisation, die mir dabei half. Das Angebot reichte von Au-Pair-Programmen, Sprachreisen, Freiwilligenprojekten überall auf der Welt bis hin zum Reinigen des Meeres auf den Seychellen. Ich entschied mich für das Freiwilligen- und entwicklungsfördernde Programm in Indonesien auf Bali. Dort sollte ich einen Monat lang Englisch in Schulen unterrichten.

Ich meldete mich online an und zahlte den Unkostenbeitrag von ca. € 1.000,-. Damit waren die Kosten für die Versicherung sowie für die Unterkunft bei der Gastfamilie für die Dauer meines Aufenthaltes von vier Wochen gedeckt. Für das Essen musste ich selber vor Ort aufkommen. Meine Ansprechpartnerin in Wien setzte sich mit mir in Verbindung und erklärte mir die nächsten Schritte. Vor Ort leitet eine Partnerorganisation das Programm. Ein Team, bestehend aus einheimischen Lehrern, sollte sich während meines gesamten Aufenthalts um alles kümmern. Sie waren nicht nur meine Kollegen in der Schule, sondern auch Ansprechpartner für mich.

Wenige Tage später kam ein Kuvert mit der Post, welches Infofolder, Packliste und sämtliche wichtige Informationen beinhaltete. Ich durfte aus drei verschiedenen Standorten in Bali meine Präferenz angeben. Um voll und ganz in die balinesische Kultur eintauchen zu können, entschied ich mich für den unbekanntesten und am wenigsten touristischen der drei Orte: Semarapura – Klungkung. Selbst zu organisieren waren nur noch Hin- und Rückflug, Reiseversicherung, Visum und anfallende Impfungen. Erledigt. Es konnte losgehen!

Der Start ins Unbekannte

Mein Abenteuer begann am 3. März 2017. Ich war sehr aufgeregt, da ich das erste Mal einen fremden Kontinent bereisen sollte. In den letzten Stunden vor meinem Abflug durchströmten mich alle möglichen Gefühle, doch eines überwog, meine Abenteuerlust war geweckt! Um 10:15 Uhr stieg ich ins Flugzeug und war überglücklich. Knappe 18 Stunden später setzte mein Flugzeug zum Landeflug in Bali an. Ich wurde herzlich von zwei Teammitgliedern begrüßt und zu meiner Unterkunft gebracht. Dort angekommen traute ich meinen Augen nicht. Ich fand mich in einem balinesischen Palast wieder. Überall waren Blumen, ein Becken mit bunten Fischen und sogar einen hauseigenen Tempel am Dach besaß das Bauwerk.

Einige Tage später sollte ich erfahren, dass hier jedes Haus aus religiösen Gründen einen eigenen Tempel besitzt. Plötzlich lief hinter einem der großen Blumenstöcke ein kleines Mädchen hervor, gefolgt von ihrer Mutter, die ein Baby am Arm trug und einem etwas größeren Jungen, ihrem Bruder, kamen sie lachend auf uns zu und stellten sich als meine Gastfamilie vor.

In der balinesischen Kultur ist es üblich, dass die ganze Familie ihr Leben lang unter einem Dach wohnt. Nur die Tochter verlässt nach der Heirat das Elternhaus und zieht mit dem Ehemann zusammen. Kurze Zeit später lernte ich meinen Gastvater und meine Gastgroßeltern kennen. Mein erster Eindruck war durchwegs positiv, eine nette Familie, dachte ich, und war erleichtert, dass wir uns gut verstanden.

Erste Eindrücke

Überwältigt von den neuen Eindrücken, müde von der Anreise und dem Jetlag ausgeliefert hatte ich dann Zeit, um mich zu erholen. Den restlichen Tag nutzten wir, um Organisatorisches zu klären. Wir machten es uns im hauseigenen Tempel bequem und lernten dort auch gleich alle Dos and Don’ts der balinesischen Kultur. Danach standen noch ein Besuch im Museum und ein gemeinsames Abendessen an.

Buntes Treiben am Nightmarket

An diesem Abend besuchte ich das erste Mal einen Nightmarket. Es war überwältigend, hier spielte sich das pure Leben ab! Viele kleine Wagenküchen standen dicht nebeneinander und jede bot etwas anderes zu essen an. Es gab eine große Auswahl, manche bereiteten Suppen in riesigen Woks zu, andere Nachspeisen, die Crêpes ähnlich waren, und wieder andere Menschen verkauften Fruchtshakes und Früchte, von denen ich nur die Hälfte erkannte.

Wir schlängelten uns durch die winzigen Gassen zwischen Händlern und Käufern hindurch. Hier sollte ich das erste Mal meine zukünftige balinesische Lieblingsspeise „Nasi Goreng Vegetarian“ probieren. Meine Begleiter bestellten für mich und schon wenige Minuten später reichte mir die Köchin ein Bananenblatt mit gekochtem Reis und frisch angebratenen Gemüsestücken darin – es war die größte Portion Reis, die ich je gesehen hatte.

Da die Menschen in Bali und generell in ganz Indonesien vergleichsweise sehr wenig verdienen, kochen die Balinesen fettig und ausgiebig, sodass man mit nur wenig Geld sehr satt wird. Hungrig machte ich die ersten großzügigen Bissen und bereute es sogleich, meine Augen begannen zu tränen und mich überkam ein Hitzeschwall. Genau in diesem Moment entdeckte ich die vielen Chilis, die mit dem Reis kaum sichtbar vermengt waren. Mir wurde erklärt, dass die Chilischote hier nicht nur zum Würzen verwendet wird, sondern dank ihrer unglaublichen Schärfe auch eine desinfizierende Wirkung besitzt und somit Bakterien im Körper abtöten kann.

Am nächsten Morgen ging es schon sehr zeitig mit Mopeds zu den Reisfeldern. Wir spazierten über die endlos scheinenden Felder und überquerten kleine Flüsse, die zur Bewässerung dienten. Uns grüßten die balinesischen Bauern und ihre Hunde begleiteten uns zeitweise auf unserem Weg. Auch an Rindern, die in ihren kleinen Hütten gerade verschnauften, kamen wir vorbei und wurden durch lautes Muhen begrüßt. In der Ferne war das Plätschern der Wasserfälle zu hören.

An die Arbeit – weg mit dem Müll

Eines störte die scheinbare Idylle, überall war Plastikmüll zu sehen. Hinter dem Ausflug zu den Reisfeldern steckte ein Plan des Teams und so verbrachten wir die nächsten zwei Stunden damit, Müll einzusammeln wobei die Vorbeigehenden uns neugierig und amüsiert beäugten.

Dazu kurz vorweg: Neben dem Hauptprojekt, dem Arbeiten mit internationalen Volontärs, verfolgt die dort ansässige Organisation noch andere wichtige Ziele – wie die Beseitigung des Müllproblems. Den meisten Bewohnern Balis fehlt vollkommen das Verständnis für Umweltschutz. Daher ist es ein wichtiger Bestandteil, den Kindern zu erklären, was mit dem Müll passiert, der täglich auf Balis Straßen liegengelassen wird und vor allem, wie sich das in Zukunft auf die Umwelt auswirken wird.

Zu meiner Freude durfte ich auch ich in diese Projekte hineinschnuppern und hielt gemeinsam mit dem Team Vorträge in verschiedenen Schulen. Bei meinen eigenen Klassen blieb ich ebenfalls nicht untätig und veranstaltete kurzerhand Müllsammlungsaktionen.

Englischunterricht auf Bali

Die Highschool war zu Fuß etwa zwanzig Minuten entfernt, hier sollte ich von Montag bis Donnerstag jeweils ein bis drei Stunden am Vormittag unterrichten. Für meine Nachmittage waren zwei bis drei Stunden in verschiedenen Volksschulen geplant, zu denen mich mein Lehrerkollege mit dem Moped brachte.

Da in Asien alles etwas chaotischer und lockerer zugeht, war es nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der Zeit einiges sehr spontan am Stundenplan änderte. Allerdings war ich genau im Monat der Abschlussprüfungen dort und so fiel der Unterricht in der Highschool schon nach wenigen Tagen aus. Ich fand es schade, da gerade mit den älteren Schülern der Kulturaustausch durch das gegebene Sprachniveau gut funktioniert hätte. Jedoch gab es so gut wie jeden Vormittag ein ebenso spannendes Ersatzprogramm, das mindestens genauso viel Spaß machte. Flexibilität, Selbständigkeit und Anpassungsvermögen sind auf jeden Fall mitzubringen. Wer diese Fähigkeiten noch nicht besitzt, wird sie spätestens beim ersten Asien-Besuch erlernen.

Meine Aufgaben im Unterricht selbst waren zum einen der Austausch zwischen balinesischer und österreichischer Kultur und zum anderen das Beibringen der Englisch Basics. Da ich hauptsächlich in der Volksschule tätig war, funktionierte dies am besten mit Spielen und viel Spaß. Hilfe hatte ich dabei immer vom einheimischen Lehrerkollegen, der während der gesamten Unterrichtszeit im Raum war und bei Schwierigkeiten dolmetschte. Es war wichtig, die Kinder zum Lachen zu bringen und sie zu beschäftigen. Da die Volksschule am Nachmittag freiwillig ist, konnten die Schüler und Schülerinnen selbst entscheiden, ob sie teilnehmen oder nicht. Ziel ist es, so viele Kinder wie möglich zum Unterricht zu bringen, da man sie so von der Straße holt und ihnen eine Perspektive bietet.

Land & Kultur

Ich hatte zudem Glück, dass eine deutsche Volontärin dasselbe Programm wie ich absolvierte und unsere Familien quasi Tür an Tür wohnten. Somit konnten wir viel freie Zeit gemeinsam verbringen und unternahmen Ausflüge zu einigen anderen Orten auf Bali. Dies verlief für uns unkompliziert, da die Organisation eine zurzeit nicht besetzte Unterkunft in Ubud zur Verfügung stellte. Dort besuchten wir einen Affenwald und spazierten durch den touristischen Ort. Die Insel Gili Trawangan, welche zu Lombok gehört und sich etwa eine Stunde mit dem Boot entfernt befindet, bereisten wir ebenfalls an einem der Wochenenden. Unsere Gastfamilie und auch das Organisationsteam unterstützten uns bei all unseren Vorhaben und sie organisierten u.a. Bus und Fährentickets, da sich dies durch die Sprachbarrieren oftmals als schwierig erwies.

Festivals & Rituale

Besonders gut gefiel mir das Teilnehmen an den verschiedenen Zeremonien und Festivals der balinesischen Kultur. Ich besuchte einzigartige Feste mit unglaublichen Darbietungen, wie z.B. das Ogoh-Ogoh Festival. Der Sinn und Zweck ist dabei, den Ort zu reinigen und das Böse zu vertreiben. Dafür leisten die Balinesen wirklich erstaunliche Handarbeit und schaffen über mehrere Wochen hinweg riesige Figuren, die Dämonen ähneln. Jeder Ort will den furchterregendsten und größten Dämon besitzen und so entstand über die Jahre hinweg ein Wettstreit, bei dem am Ende ein Gewinner gekürt wird. Die Figuren werden an diesem Tag von ihren Erschaffern hintereinander durch Klungkung getragen. Links und rechts davon drängeln sich Eltern mit ihren Kindern, es gibt Essens­stände und ein Tanz, der einem Schauspiel ähnelt, wird am Hauptplatz vorgetragen. Anschließend werden die Figuren verbrannt, um im nächsten Jahr wieder neu erschaffen zu werden.

Auch den Silentday – auch Nyepi genannt – durfte ich miterleben. Er folgt anschließend an das Ogoh-Ogoh Festival und ist der erste Tag im neuen Jahr der Balinesen. An diesem Tag steht ganz Bali still. Die Menschen müssen den ganzen Tag in ihren Häusern bleiben. So werden schon am Nachmittag davor alle Geschäfte geschlossen und sogar der Flugverkehr wird an diesem Tag eingestellt. An diese Regel müssen sich alle Bewohner von Bali halten – auch Touristen.

Hotels bieten extra Programme in ihren Anlagen an, um ihre Gäste vom Hinausgehen abzuhalten. Wer trotzdem einen Spaziergang nach draußen wagt, muss damit rechnen, Strafe zu zahlen und auf dem Polizeirevier zu landen. Dank der Organisation durfte ich meine „Kinder“ bei schulinternen Zeremonien begleiten. So auch auf einer kleinen Wanderung durch die Straßen und den Dschungel von Klungkung. Den steilen Weg durch den dicht bewachsenen Dschungel, an Affen vorbei bis zum Tempel stiegen wir hinab, um uns dort für ein Gebet und eine Jause niederzulassen. Während des Gebets durfte ich sogar einen Sarong tragen und der Direktor persönlich weihte mich mit dem heiligen Wasser. Es war eine tolle Erfahrung!

Rückblickend – Auszeit mit Sinn!
 

Meine Zeit in Bali verging wie im Flug und schon bald waren die vier Wochen vorüber. Rückblickend kann ich sagen, dass ich vieles mitgenommen habe und mich die vielen neuen Eindrücke sehr inspiriert haben. Es war aufregend, eine neue Kultur so intensiv kennengelernt zu haben und vor allem die Chance gehabt zu haben, sie jeden Tag zu erleben und ich bin stolz, Teil eines solchen Projektes gewesen zu sein. Natürlich sind mir die Kinder in dem Monat ans Herz gewachsen und dementsprechend schwer war der Abschied. Was mich besonders rührte, waren die vielen Briefe, die mir die Schüler und Schülerinnen zum Abschied schrieben.

Selina Valentina Galanos

 

 

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