Gallegos: Der mit der Maus tanzt

Es liegt in der Natur der Sache, dass Tiefenimagination unbeschreiblich ist. Man kann sie mit dem rationalen Verstand nicht begreifen, steuern oder kontrollieren. Das lineare, logische Denken ist einem dabei nur im Weg. Ähnlich, wie wenn man sich mitten in einem Traum befindet und sich diesen nicht vorher ausmalen kann, wird das, was geschieht, auf einer anderen Ebene erfasst. Prof. Dr. Eligio Stephen Gallegos hat eine Methode entwickelt, um Menschen zu helfen, ihr „Hirn auszuschalten“ und wieder Verbindung mit ihrer Kraft aufzunehmen.

Er sieht sich als Reiseführer durch die inneren Bilderwelten, in denen einem alles begegnen kann. Am liebsten sind ihm Tiere, „weil es gibt nichts Lebendigeres als Tiere“ – und da kann es einem schon passieren, dass er einen dann mit der Maus tanzen lässt.

Von den Naturvölkern

Imagination wurde von vielen Naturvölkern und Kulturen als essentielle Methode benutzt, um eine Verbindung zu einer tiefen inneren Welt aufzubauen. In unserer kopfgesteuerten Gesellschaft ist es jedoch sehr schwierig, sich auf diese Welt einzulassen, ohne sich verrückt dabei vorzukommen oder als verrückt abgestempelt zu werden. „Es gibt bestimmte Ebenen von Imaginationen“, erklärt Prof. Dr. Eligio Stephen Gallegos.

„Das, was wir meistens darunter verstehen, ist das, was wir kontrollieren können. Das ist so, wie wenn man zu einem Kind sagt, zeichne ein Haus, und das Kind stellt sich eines vor. So funktioniert logisches Denken, das sehr von anderen kontrolliert wird – weil es uns gelehrt wurde, was wir denken, sprechen und wie wir sein sollen. Tiefenimagination hat mit Lebendigkeit zu tun, es ist alles direkt und Kinder haben diese Verbindung noch sehr stark und ganz spontan.“

Erst Aussagen, wie „Das bildest du dir alles nur ein“ oder „Hör auf mit deiner Träumerei, jetzt beginnt der Ernst des Lebens“ haben vernichtende Wirkung. Man hält sich selbst für schlecht und vergräbt natürliche Fähigkeiten ganz tief in seiner Seele. „Wenn ein Kind z.B. böse war“, erklärt der Psychologe, „wird es in sein Zimmer geschickt. Das bedeutet für das Kind, es darf nur zur Familie zurück, wenn es nicht böse ist. Somit wird diese Bösheit versteckt und unterdrückt. Aber böse zu sein ist kein Problem. Es hat viel Kraft und viel Power. Und das Kind verliert seine Power, wenn es das Böse abspaltet.“

Innere Anteile

So werden im Laufe des Lebens immer mehr innere Anteile abgespalten. „Ich wohne in der Nähe von den Indianern in New Mexiko“, vergleicht Stephen Gallegos. Indianer sagen nie zu ihren Kindern, dass sie etwas tun müssen. Sie erwarten, dass das Kind selbst seinen eigenen Weg entdeckt. Wir haben in unserem Denkmuster gelernt, dass es Wut oder Freude gibt und dass diese Teile von uns sind. Aber es wäre besser zu sagen, es gibt in mir viele verschiedene Lebendigkeiten.

Es gibt die Lebendigkeit von Wut, die kommt von sich selbst, oder von Liebe oder Freude, die kommt auch von sich selbst. Unser Job ist, unsere Lebendigkeiten zu umarmen. So leben wir in tiefer Einheit und nicht in Stücken. Wenn wir alles in uns annehmen können, sind wir eine Einheit und diese Einheit ist einzigartig. Dann können wir alles in uns umarmen, sind stark und handeln aus dieser inneren Zentriertheit heraus.

Spät, aber doch

Diese Erfahrungen machte Stephen Gallegos selbst aber auch erst im Alter von 70 Jahren. Obwohl er sogar indianische Vorfahren hat, hatte er als Wissenschaftler und Direktor des Psychologischen Instituts an der Mercer-Universität in den USA ein Leben lang kein Verständnis für solche Dinge. Erst eine eigene tiefgreifende Vision mit Tieren hat ihm eine völlig neue Dimension eröffnet und ihn dazu geführt, eine eigene Methode zu entwickeln, um das „Gehirn abzuschalten“ und wieder eine Verbindung zu seinem innersten Sein aufzunehmen. Tiere sind immer höchst gern gesehen, da sie einem interaktiv helfen können, die eigene Sicht zu wechseln. „Tiefenimagination ist eine ganz tiefe Ebene von Wissen. Tiere haben diese Ebene“, erläutert Stephen Gallegos.

„Die meisten sind enttäuscht, wenn sie eine Maus in ihrem Herzen sehen. Sie hätten gerne ein großes, starkes Tier wie einen Löwen. Doch die Maus verdeutlicht die Beziehung, in der jemand z.B. zu seinem eigenen Herzen steht. Und eine Maus ist nichts Schlechtes. Sie kann dir zeigen, wie lustig die Welt aus ihrer Sicht ist. In der Tiefenimagination ist alles möglich. Man kann sich selbst besuchen als Kind oder als alter Mann und gleichzeitig mit beiden reden. Wir befinden uns auf einer Ebene, auf der wir Dinge zusammenholen können. Das ist für unser Denken sehr schwierig. Unser Denken ist linear und logisch. D.h. wir können mit unserer Wissenschaft Tiefenimagination nicht erforschen, weil es dort nicht so passiert. Es ist alles auf einmal …“ Nun, was kann man sich unter Tiefenimagination nun vorstellen? Die Antwort ist schlicht und einfach: nichts. Und wenn man in die Augen von Stephen Gallegos schaut – alles.

 

Biografie Prof. Gallegos:

Die Bewegung „Ökologie der Kindheit“ ist eine ganze neue Haltung. Sie schlägt vor, dass wir uns neue Fragen stellen. Wir stellen uns immer wieder die Fragen: „Was kann ich dem Kind beibringen? Wie kann ich es erziehen?“

Wir sollten uns besser die Frage stellen: „Was kann ich vom Kind alles lernen?“ Kinder sind wahre Meister in Sachen Offenheit, Unvoreingenommenheit, Vorurteilslosigkeit. Sie gehen in die weite Welt hinaus mit offenem Herzen und offenen Armen. Sie gehen auf andere Lebewesen zu, ungeachtet ihrer Hautfarbe, Religion, ihres Einkommens und ihres Alters. Sie kennen keine Hierarchien, begeistern sich für den Müllmann und den Astronauten. Sie zeigen uns den Weg. Sie zeigen uns, wie eine bessere Welt eigentlich aussehen würde.

Wir bräuchten uns nicht in diese bessere Welt entwickeln, wir müssten … wir bräuchten uns nur nicht allzu weit von diesem unserem nativen Zustand zu entfernen. Ich bin wirklich überzeugt, dass es keinen Frieden auf Erden geben wird, solange wir nicht in Frieden sind mit der Kindheit.

Magazin Zoë 03/15

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