Neurografisches Zeichnen ist eine relativ neue und kreative Methode, die dazu dient, die innere Welt eines Menschen zu erforschen und ihm zu helfen, emotionale und psychologische Themen zu bearbeiten. Diese Technik wurde von Dr. Pavel Piskarev, einem russischen Psychologen und Kreativitätscoach, in den frühen 2010er Jahren entwickelt.

Die Methode basiert auf der Idee, dass das Zeichnen bestimmter Linien und Formen eine positive Wirkung auf das menschliche Gehirn haben kann, insbesondere auf dessen Fähigkeit, Stress zu bewältigen und neue, konstruktivere Denkmuster zu entwickeln. Neurografisches Zeichnen verbindet Elemente der Kunsttherapie mit Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft und der Psychologie, um Menschen einen Weg zu bieten, ihre Gedanken und Emotionen visuell darzustellen und zu verarbeiten.

Therapie und/oder Entspannung

Seit seiner Einführung hat das neurografische Zeichnen weltweit an Beliebtheit gewonnen, sowohl als therapeutisches Werkzeug in der psychologischen Praxis als auch als kreative Methode zur persönlichen Entwicklung und Entspannung. Viele Menschen, die diese Technik ausprobiert haben, berichten von positiven Erfahrungen, wie zum Beispiel einer Verringerung von Angst und Stress, einer Steigerung der Kreativität und einem allgemein verbesserten emotionalen Wohlbefinden.

Kein Zeichentalent notwendig

Das neurografische Zeichnen ist grundsätzlich für jeden geeignet, unabhängig von Zeichentalent oder künstlerischer Erfahrung. Die Methode betont den Prozess des Zeichnens selbst, nicht das Endprodukt, und ermutigt die Teilnehmer, sich frei und ohne Angst vor „Fehlern“ auszudrücken. Durch das Zeichnen komplexer, miteinander verbundener Linien und Formen können Teilnehmer ihre inneren Konflikte und Blockaden visuell darstellen und beginnen, sie aufzulösen.

Als therapeutische Praxis wird das neurografische Zeichnen oft in einem kontrollierten Umfeld unter Anleitung eines erfahrenen Therapeuten oder Kursleiters durchgeführt. In diesen Sitzungen werden Teilnehmer angeleitet, ihre Gedanken und Gefühle durch das Zeichnen zu erkunden, wobei der Therapeut oder Kursleiter Hilfestellung leistet, um die entstehenden Bilder zu interpretieren und die darin enthaltenen emotionalen oder psychologischen Themen zu bearbeiten.

Die 10 Prinzipien

Es gibt verschiedene „Algorithmen“ oder methodische Ansätze im neurografischen Zeichnen, die dazu dienen, unterschiedliche psychologische Zustände zu bearbeiten und persönliche Entwicklungsthemen zu fördern. Hier sind zehn solcher Algorithmen erklärt:

• 1. Basis-Algorithmus
Dies ist der grundlegendste Algorithmus, der oft als Einstiegspunkt in das neurografische Zeichnen verwendet wird. Er umfasst das spontane Zeichnen von Linien und das anschließende Verbinden dieser Linien an ihren Schnittpunkten, wodurch ein harmonischeres und verbundenes Muster entsteht.

• 2. Algorithmus der Rundungen
Bei diesem Algorithmus werden alle spitzen Winkel und Ecken in den Zeichnungen gerundet. Dies soll helfen, mentale Spannungen zu reduzieren und den Fluss der Gedanken zu erleichtern.

• 3. Algorithmus der Transformation
Dieser Algorithmus wird verwendet, um spezifische Probleme oder Konflikte zu adressieren. Man zeichnet eine Form oder Linie, die das Problem symbolisiert, und transformiert sie dann schrittweise in ein ästhetisch angenehmeres Bild.

4. Farbalgorithmus
Farben werden gezielt eingesetzt, um Emotionen zu bearbeiten und bestimmte Stimmungen zu fördern. Jede Farbe kann unterschiedliche emotionale Zustände symbolisieren oder hervorrufen.

5. Algorithmus der Integration
Dieser Ansatz fördert die Integration von neuen Ideen oder Konzepten in das eigene Denkschema. Durch das Zeichnen von verbindenden Elementen zwischen verschiedenen Ideen oder Teilen einer Zeichnung wird die Integration auf einer visuellen Ebene dargestellt.

6. Algorithmus der Expansion
Hierbei wird das Bild bewusst erweitert, um neue Möglichkeiten und Perspektiven zu erkunden. Dies kann durch das Hinzufügen neuer Elemente oder das Ausdehnen bestehender Strukturen geschehen.

7. Reflexionsalgorithmus
Bei diesem Algorithmus wird das Bild nach dem Zeichnen reflektiert, oft durch das Zeichnen auf der gegenüberliegenden Seite eines transparenten Papiers. Dies kann helfen, unbewusste Aspekte des Themas zu erkennen und zu bearbeiten.

8. Algorithmus der Repetition
Wiederholung bestimmter Formen oder Muster kann verwendet werden, um bestimmte Gedanken oder Emotionen zu vertiefen und ihre Auswirkung zu verstärken.

9. Rhythmus-Algorithmus
Die Einführung von rhythmischen Mustern oder Sequenzen in das Bild kann dazu dienen, einen meditativen Zustand zu fördern und das Gehirn zu beruhigen.

10. Synchronisationsalgorithmus
Dieser Algorithmus zielt darauf ab, unterschiedliche Teile des Bildes oder unterschiedliche Aspekte eines Problems zu synchronisieren, um ein kohärenteres Gesamtbild zu schaffen.

Diese Algorithmen sind flexibel und können in verschiedenen Kombinationen verwendet werden, abhängig von den persönlichen Bedürfnissen und Zielen des Zeichners. Die Praxis des neurografischen Zeichnens ist tief in der persönlichen Erfahrung verankert, und daher wird oft empfohlen, mit diesen Algorithmen zu experimentieren und sie individuell anzupassen.

Bild: Isabella Osaben

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