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G. Hüther Hirnfoschung (Foto: Franziska Hüther)

Hirnforschung & Lernen: Potentiale fördern

Nicht durch die Genetik, sondern durch Erfahrungen schaffen wir geistige Potentiale. Unser Gehirn wird erst nach der Geburt durch Interaktionen mit anderen Menschen endgültig geformt. Der Neurobiologe und Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther, Universität Göttingen, möchte diese Erkenntnisse aus der Hirnforschung in den Alltag transferieren. Beim internationalen Kongress „Pädagogik im Aufbruch“ Ende August an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien plädierte er für diese gemeinsame Potentialentfaltung – im Bildungswesen, im Berufsleben und letztlich in der gesamten Gesellschaft.

Erst in den letzten Jahren konnte durch wissenschaftliche Forschungen belegt werden, dass nicht genetische Programme unser Gehirn zusammenbauen, sondern es sich von selbst entwickelt – durch gemachte Erfahrungen in der Schule, an der Uni, in der Ausbildung oder im Beruf. Diese Erfahrungen strukturieren das menschliche Hirn.

Gerald Hüther: „Andererseits ist es genauso unzulässig, über das Gehirn Aussagen zu machen, wenn man nicht berücksichtigt, in welchen sozialen Beziehungen diese Person lebt und auch gelebt hat. Es gibt kein isoliertes Hirn und es gibt keinen isolierten Menschen.“ Was in unserem Hirn an Wissen, Können und Erfahrung verankert worden ist, haben wir von anderen Menschen bekommen: manches unfreiwillig, manches eingetrichtert, aber manches – und das ist die schönste Form des Lernens – haben wir gemeinsam herausgefunden.

Das Gehirn, so lautet die vielleicht wichtigste Erkenntnis der Hirnforscher, lernt immer! Und es lernt das am besten, was dem betreffenden Menschen hilft, sich in seiner jeweiligen Lebenswelt zurechtzufinden und die Probleme zu lösen. Das Gehirn ist also nicht zum Auswendiglernen von Sachverhalten, sondern zum Lösen von Problemen optimiert – am besten gemeinsam. „Leider kann unser Schulsystem das nicht bieten“, so Gerald Hüther: „Will es auch gar nicht, denn es dient dem Zweck, eine Gesellschaft zu stabilisieren, in der es lauter Ungleichheiten gibt. Es diente dem Zweck, diese hierarchisch geordnete Gesellschaft aufrechtzuerhalten.“

Wettbewerb erzeugt Fachidioten

Notwendig ist nicht nur eine Transformation des Bildungswesens, sondern der gesamten Lebensweise. Hüther: „Das kann aber kein Politiker dieser Welt zustande bringen, das können nur die Menschen gemeinsam erfinden, die mit Mitmenschen in eine lebendige Beziehung treten.“ Solange es eine Ungleichheit an Bildung gibt, eine echte Chancengleichheit fehlt, wird immer Leistung, Wettbewerb und Auslese im Vordergrund stehen.

„Letztlich führt Wettbewerb nicht zu Fortschritt und Weiterentwicklung, sondern zu einer Spezialisierung – also erzeugt man dadurch höchstens Fachidioten und Leistungssportler. Durch Wettbewerb kommt nichts wirklich Neues in die Welt“, so der Hirnforscher. Auch ein menschliches Hirn kann sich dabei nicht entwickeln. Das Geheimnis aus der Hirnforschung: Die Voraussetzung für die Potentialentfaltung ist nicht der Wettbewerb, sondern die Voraussetzungen, die Erwachsene schaffen, damit die Kinder gut spielen können. Weil im unbekümmerten, gemeinsamen Spiel sind Kinder begeisterte Entdecker und Gestalter.

Lust am gemeinsamen Lernen

Mit dieser Lust am eigenen Lernen, Entdecken und gemeinsamen Gestalten kommen alle Kinder auf die Welt und je länger eine Gesellschaft diese Lust erhalten kann, desto besser entwickelt sich die Gesellschaft. Diese Freude gilt es zu erhalten, lebenslange Freude am Lernen ist möglich! Durch die Lust am eigenen Denken und gemeinsamen Gestalten wird das Potential des Gehirns jedes Einzelnen und der Gemeinschaft gefördert. Das setzt neue Energien frei, Ideen und Kreativität entstehen.

Denn es ist jederzeit möglich, auch negativ besetzte Netzwerke im Gehirn wieder zu verändern. Niemand muss sein ganzes Leben Opfer einer einmal gemachten negativen Erfahrung sein. Es ist nur extrem schwer, die Änderung alleine zu schaffen. Auch einen Tipp für den Alltag hat Gerald Hüther: „Wenn wir mit anderen Menschen zusammenkommen, sollten wir sie immer als Subjekt sehen, sie anlächeln, ermutigen und inspirieren. Potentialentfaltung ist in jedem Alter möglich, funktioniert aber nur in Gemeinschaften.“

Letztlich geht es darum, in der Schule, aber auch im gesamten Leben Bedingungen zu schaffen, unter denen sich solche Gemeinschaften der Potentialentfaltung herausbilden können. Das wäre auch die Aufgabe der Politik. Bedingungen zu schaffen, dass das, was in den Menschen drinnen ist, auch herauskommen kann.

Quelle: Vortrag „Etwas mehr Hirn, bitte!“ beim ersten internationalen Kongress „Pädagogik im Aufbruch“, August 2015

 

Weitere Infos zum Thema:
fokus-bildung.at
gerald-huether.de
lernwelt.at

Magazin Zoë 03/15

 

Siehe auch zum Thema:

André Stern: Schullos glücklich

 

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