Die Geschichten der beiden Comic-Helden Asterix und Obelix und der wundersamen Zaubertränke des Druiden Miraculix sind allseits bekannt. Die Mistel spielt hier eine mystische Rolle, auch in vielen anderen magischen Gebräuchen und Ritualen. Zwar verleiht die parasitäre Pflanze, die sich hoch in den Ästen ihrer Wirtsbäume einnistet, keine übermenschlichen Kräfte, aber eine wundersame Heilpflanze ist sie allemal.

Dank der modernen Wissenschaft steht heute fest, dass die heilende Kraft, die in der Mistel steckt, nicht dem Mythos und der Märchenwelt angehört, sondern tatsächlich ein heilbringendes Mittel bei Krebserkrankungen ist. Mittlerweile macht sich nicht nur die Medizinwelt, sondern auch die Kosmetikindustrie ihre vielseitigen Eigenschaften zunutze.

Der Glaube an die Zauberkraft der Mistel reicht bis in die Antike zurück. Die Druiden, die Priester, Lehrer und Heiler in einer Person vereinten, verehrten vor allem die auf Eichen wachsende Mistel als „omnia sanans“ – als Allheilmittel. Auch im Mittelalter wurde die Mistel, auch Drudenfuß oder Hexenbesen genannt, zu magischen und medizinischen Zwecken eingesetzt. Heute noch hängen in Wohnungen um die Weihnachtszeit Misteln über den Türrahmen. Sie sollen Gesundheit, Wohlstand und Fruchtbarkeit im neuen Jahr sichern.

Die Mistel: Anders als die anderen

Die Tatsache, dass die Mistel sich in Wachstum und Fruchtreife entgegengesetzt zu den meisten Pflanzen verhält, hat sicher zu ihrem Ruf als magische Pflanze beigetragen. Denn im Winter, wenn alle anderen Pflanzen ruhen, setzt bei ihr der Wachstumsschub ein. Sie blüht von Februar bis März und trägt ab November reife Früchte.

Wie beim Menschen dauert es etwa neun Monate, bis die Frucht endgültig ausgereift ist. Die Mistel richtet sich nicht nach der Sonne, sie ist unabhängig von Licht und Schwerkraft. Der Grund, warum die Blätter der immergrünen Pflanze in alle Himmelsrichtungen wachsen und den typisch runden Mistelbusch bilden. Dieses Phänomen gibt es bei keiner anderen Pflanze.

Die Mistel ist in ganz Europa verbreitet und gilt als Halbschmarotzer, da sie nicht in der Erde, sondern auf Bäumen wächst, einen großen Teil der Nährstoffe von ihrem Wirt bezieht, selbst aber Photosynthese betreibt und so ohne Wirt durchaus lebensfähig wäre. Von den rund 1.400 Pflanzen, die im weitesten Sinne als Misteln bezeichnet werden, wird heutzutage nur eine, die weißbeerige Mistel (Viscum Alba), zur Herstellung von Medikamenten und kosmetischen Pflegemitteln verwendet. In Europa kann man drei Unterarten der weißbeerigen Mistel unterscheiden: die Laubbaum-, die Kiefern- und die Tannenmistel.

Mistel – die Pflanze bei Krebs

Die Misteltherapie ist unter den unkonventionellen Verfahren in der Krebsmedizin das am besten erforschte. Vor allem die einzigartige Kombination ihrer Inhaltsstoffe macht die Mistel zu einer ganz besonderen Heilpflanze. Neben einer Vielzahl an Aminosäuren, Proteinen (Eiweiß), Triglyzeriden (Fetten), Flavonoiden (pflanzentypische Farbstoffe), Kalium und Phosphor enthält die Mistel auch stark toxische Substanzen, Viscotoxine und Lektine.

Vor allem diese toxischen Substanzen haben einen großen Heileffekt bei Krebserkrankungen. Mistellektine sind zuckerhaltige Eiweißstoffe, die in dieser Form nur in der Mistel vorkommen und das Wachstum von Krebszellen hemmen. Sie gehören zu den am besten untersuchten Inhaltsstoffen der Mistel. Viscotoxine sind Eiweißverbindungen und ähneln in ihrer Struktur dem Gift der Kobra. Ihre Wirkung ist nicht so gut erforscht wie die der Lektine. Bekannt ist, dass Viscotoxine Krebszellen auflösen, indem sie ihre Zellwand zerstören.

Ergänzung zur Krebstherapie

Heute werden Mistelpräparate vor allem in Ergänzung zur Krebstherapie eingesetzt, um die Konstitution des Patienten zu verbessern und die Nebenwirkungen der Behandlung zu mildern. Eine begleitende Therapie mit Mistelextrakt verringert die Nebenwirkungen konventioneller onkoloischer Therapien wie etwa Chemo- oder Strahlentherapie.

Mistelextrakte regen zudem die Vermehrung der Immunzellen an und aktivieren natürliche Killerzellen. Auch steigern sie die Bildung von Beta-Endorphinen, körpereigenen Glücksopiaten. Dadurch lassen Schmerzen nach und Depressionen werden gelindert. In der Volksmedizin gilt die Mistel als heilsam bei Menstruationsstörungen, Epilepsie, Arteriosklerose und Bluthochdruck und wird hier erfolgreich angewendet.

Als Heilpflanze entdeckt

Entdeckt wurde die Mistel als Heilpflanze in der Krebstherapie vom Begründer der anthroposophischen Geisteswissenschaft, Dr. Rudolf Steiner. Nach anthroposophischer Auffassung sind bösartige Tumoren Fehlbildungen, die zur falschen Zeit am falschen Ort im menschlichen Körper wachsen. Ebenso ist die Mistel eine Pflanze, die als Parasit am für Pflanzen „falschen Ort“ wächst – nämlich auf Bäumen und nicht in der Erde. Sie ernährt sich nicht selbst, sondern bezieht einen Großteil ihrer Nährstoffe von dem Baum, auf dem sie wächst.

Eigentlich ernährt sich auch ein Tumor von dem Körper, in dem er sich gebildet hat. Deshalb spiegelt die Mistel also das Krebsgeschehen im Pflanzenreich. Als Arzneimittel aufbereitet stellt die Mistel dem Organismus Kräfte zur Verfügung, die diesem verlorengegangen sind, was das Tumorwachstum über haupt erst ermöglichte. Die Ärztin Dr. Ita Wegman griff die Anregungen Rudolf Steiners auf und entwickelte 1917 gemeinsam mit einem Züricher Apotheker das erste Mistelpräparat. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Krebstherapiepräparaten, die auf Mistelextrakt basieren.

Die Mistel in der Kosmetik

Für die Kosmetikindustrie bedeutsam sind insbesondere die Aminosäuren der Mistel. Vor allem das Arginin, das Haut und Gewebe bei Trockenheit, Juckreiz und Neurodermitis unterstützt. Aber auch bei der Behandlung und Prophylaxe von Cellulite ist die Mistel wirksam. Die in der Mistel enthaltenen Flavonoide sind als Antioxidantien wichtig. Sie neutralisieren freie Radikale, verhindern, dass sie Hautzellen angreifen oder irreversible DNA-Schäden verursachen, stärken das Immunsystem der Haut und bieten so einen optimalen Schutz gegen Zellalterung.

Jüngste Forschungen haben ergeben, dass der Mistelextrakt noch eine ganz besondere Eigenschaft besitzt: Er lindert das Erscheinungsbild von Pigmentflecken und beugt der Bildung neuer Flecken vor. Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen, die Pigmentflecken oder Sommersprossen lediglich bleichen, oft agressiv sind und dadurch die Haut empfindlicher machen, hemmen die in der Mistel enthaltenen Stoffe die Tyrosinase, also die Bildung von Melanin, jenem Farbstoff, der das Entstehen der unbeliebten dunklen Flecken erst ermöglicht.

Aufhellung der Haut

Das Ergebnis ist eine schonende Aufhellung der Haut. Insofern bietet die Mistel durch ihre antioxidative Wirkung eine zusätzliche, vorbeugende Schutzfunktion. Denn Pigmentstörungen sind zumeist auf übermäßige Sonneneinstrahlung oder Schädigung durch freie Radikale zurückzuführen.

Zudem macht die Tatsache, dass es sich dabei auch noch um ein rein natürliches Mittel handelt, die Mistel umso begehrter. Lotionen oder Cremes, die Mistelextrakt enthalten, stellen eine natürliche, unschädliche und wirksame Alternative zu Bleichen durch Fruchtsäuren, Läserbehandlungen und anderen agressiven Behandlungsmethoden dar. Martina Reitinger

Quellen: „Plantas Medicinales“, Pío Font Quer, Península Verlag „Die Mistel – Heilpflanze in der Krebstherapie“, Annette Bopp, Verlag Rüffer&Rub „Westliche Kräuter aus der Sicht der Traditonellen Chinesischen Medizin“, Florian Ploberger, Bacopa Verlag

 

DIE MISTEL AUS DER SICHT DER TCM
Anwendungen bei
  • Einschlafproblemen, Unruhe, Palpitationen (Herzklopfen)
  • Hypertonie (hoher Blutdruck)
  • Arteriosklerose
  • Durch Hypertonie hervorgerufenem Vertigo (Drehschwindel)
  • Lumboischialgie (Rückenschmerzen)
  • Schwäche der Knie, Schwäche bzw. Atrophie der Sehnen und Knochen
  • Trockener Haut
  • Unruhigem Fetus und uterinen Blutungen während einer Schwangerschaft
  • Epilepsie
Verwendete Teile: Zweige und Blätter
  • Geschmack: bitter
  • Thermische Wirkung: neutral
  • Organzuordnung: Nieren, Leber, Herz
  • Dosierung: 3 – 12 g

 

Magazin Zoë 07/17

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