Radikalisierung, gewalttätiger Extremismus bis hin zum Selbstmordattentat lauten die aktuellen globalen Herausforderungen unserer Zeit. Seit dem radikalen Feldzug der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) stehen Nachrichten über ihre tödlichen Anschläge und die Beteiligung westlicher Jugendlicher an den Gräueltaten in Syrien und Irak an der Tagesordnung.
IS ist ein Synonym für gewalttätigen Extremismus geworden, der nicht erst seit den Anschlägen in Paris alle Menschen betrifft. Auch die Rekrutierer für den IS sind in Europa angekommen. Aber nicht Krieg und Bomben sondern ein Netzwerk von betroffenen Müttern könnte die beste Waffe sein.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in die Fänge der Extremisten geraten, sind auf der Suche nach Sinn und Orientierung, oft in einer umfassenden Identitätskrise. „Deshalb haben wir schon 2012 das Projekt Mütterschule begonnen“, erklärt Dr. Edit Schlaffer, Gründerin und Direktorin der „Frauen ohne Grenzen“ ihr Projekt. „Mütterschulen gegen Extremismus“ gibt es bisher in Pakistan, Indien, Kaschmir, Nigeria, Tadschikistan und Indonesien. „Unser Bestreben war, Mütter dabei zu unterstützen, auf die ersten Anzeichen von Radikalisierung kompetent zu reagieren.“
Zudem haben die Frauen die Möglichkeit, ihr Schweigen zu brechen, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und auch andere Familien zum Kampf gegen die Radikalisierung ihrer Kinder zu ermutigen. Edit Schlaffer: „Niemand kommt den Mechanismen der Rekrutierung näher als die Mütter. Sie sind wichtige, wenn auch unfreiwillige Zeuginnen des Abgleitens ihrer Kinder in den Extremismus. Durch ihre persönlichen Beobachtungen finden wir unter Umständen einen neuen Zugang, um mit dieser Herausforderung kompetenter umgehen zu können.“
Women without borders: So läuft die Mütterschule ab
Am Beginn steht eine Serie von regelmäßigen strukturierten Treffen über mehrere Wochen. Dabei geht es vor allem darum, intensiv an Vertrauen aufzubauen und Selbstvertrauen zu ermöglichen. Die Frauen werden ermutigt, über sich zu sprechen, über den schwierigen Umgang mit heranwachsenden Jugendlichen, die Notwendigkeit des Zuhörens ohne schnellen Urteilens.
„Aber es gibt auch Tipps für ein rechtzeitigen Einschreiten – vor der Grenze der Radikalisierung der Kinder. Zudem geht es um Einschätzen von Frühwarnsignalen, adäquate Reaktionsformen und das Einschalten von Hilfe von außen“, so Edit Schlaffer.
Berührende Reaktionen
Die betroffene Mütter zeigen sich dankbar, dass ihre Hoffnungslosigkeit Gehör findet, und vor allem, dass sie nicht alleine sind. Manche fühlen sich durch die gemeinsamen Aktivitäten auch persönlich weniger schuldig. Und sie sind bereit zum Einschreiten, damit die Radikalisierung nicht weiter voranschreitet: „Wir werden nicht aufgeben.“
„Die Menschen müssen ihre Augen, ihr Herz und ihre Gedanken öffnen.“ „Wir sind die Botschafter dieser Bewegung gegen Radikalisierung.“ „Und wenn ich schon ein Kind verloren habe, so kann ich zumindestens mein zweites vor einem derartigen Schicksal bewahren.
Und das werde ich tun!“ Edit Schlaffer: „Es ist faszinierend, wie aus den ersten Gesprächen bei den losen Zusammenkünften eine gemeinsame Bewegung entstanden ist.“ Bei den bereits bestehenden Projekten hat sich auch gezeigt, dass nach einiger Zeit sogar die Männer an den Treffen teilnehmen wollen.
Mütterschulen auch in Europa
Da mittlerweile die Rekrutierung des IS aber auch in Europa um sich greift, wurde das Projekt der Mütterschulen ausgeweitet. „Frauen ohne Grenzen“ brachte im September 2015 Mütter aus ganz Europa zusammen, deren Kinder nach Syrien gelockt wurden. Die ersten Trainings in Belgien und Österreich fanden schon statt, Schweden und England folgen demnächst.