Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Helmut Leder, seines Zeichens Vorstand des Institutes für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Universität Wien, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Forschungen in Zusammenhang mit der Wirkung von Schönheit auf Menschen. Im Gespräch mit Zoë gibt uns der Experte theoretische Einblicke in die menschliche Seele zum Thema Schönheit. Eines ist mehr als nur erwiesen: Schönheit bringt tatsächlich viele Vorteile im Leben. Gemeint ist jedoch definitiv eine natürliche, entspannte – also gesunde Schönheit. Das sind die biologischen Voraussetzungen für die Partnerwahl. Hier eine Zusammenfassung des Interviews.
Welche sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Forschung zum Thema Schönheit und die menschliche Psyche?
Aus den verschiedenen Forschungen zum Thema „Was macht ein Gesicht attraktiv und schön?“ gibt es Antworten, wie z.B dass Durchschnittlichkeit, Symmetrie attraktiv wirkt. Aber interessant sind die Forschungen, die zeigen, dass wir alle mehr oder minder attraktiv wirken – wie der Tag gerade ist, die Stimmung usw. Unsere eigenen Forschungen zeigen, dass Schönheit den Blick anzieht – und das auf eine fundamentale Weise. Was als schön eingeschätzt wird, bindet den Blick besonders lang. Das heißt auf eine andere Art und Weise, dass Schönheit unseren Alltag strukturiert. Wir schauen dahin, wo Schönheit ist.
Schönheitsideale werden kulturell sowie gesellschaftlich beeinflusst – wie viel spielt der individuelle Geschmack tatsächlich eine Rolle?
Die Forschung vermutet, dass bei Gesichtern – weil sie eine hohe biologische Bedeutung haben – dieser individuelle Anteil am geringsten ist. Wir haben zwar schon auch eine persönliche Geschmackskomponente, der eine mag dies und der andere mag das mehr, aber die Übereinstimmung, was schön ist, ist bei Gesichtern relativ groß. Bei einem anderen Experiment mit abstrakter Kunst haben wir aber zum Beispiel gemessen, dass hier der individuelle Anteil viel größer ist.
Was ist aus psychologischer Sicht der Antrieb, schön zu sein?
Schöne Personen werden länger angesehen. In sozialen Situationen werden zum Beispiel attraktive Kinder etwas besser behandelt. Attraktive Menschen finden leichter einen Job, vielleicht leichter Freunde usw. Schönheit zeigt positive Effekte – man wird etwas mehr angelächelt, freundlicher behandelt. Man sieht das auch bei anderen Menschen, generalisiert das und glaubt auch selber, dass es ein wichtiges Ziel im sozialen Umgang sein sollte, als attraktiv zu gelten. Von der Schönheitsindustrie wird uns natürlich die Mächtigkeit der Schönheit vorgeführt und vielleicht auch ein bisschen vorgegaukelt.
Wie reagiert die menschliche Psyche auf Schönheit?
Mein Kollege Mag. Dr. Gernot Gerger hat ein tolles Experiment durchgeführt, bei dem herauskam, dass Schönheit, der wir im Alltag begegnen – und wir können ihr in allen Dingen begegnen – kleine Dosen von Glücklich-Sein und Freude produziert und ist damit ein ganz starker emotionaler Motivator in unserem Leben.
Meist wird mit schönen Menschen auch Glück und Reichtum assoziiert. Gibt es auch Nachteile, schön zu sein?
Man kann sich vorstellen, dass schön zu sein auch Nachteile hat. Schön ist nicht immer nur mit positiven Merkmalen assoziiert. Schönheit kann auch zu Neid führen, zu gewissem Ärger, zu dem Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, wenn der Schönere vermeintlich etwas Besseres bekommt. Schönheit, die den Blick anzieht, kann zum Beispiel auch ablenken von Dingen, die in einer Situation vielleicht wesentlicher sind: etwa der Wahrheitsgehalt eines Arguments oder der Inhalt von etwas Gesagtem.
Wie sehen Sie als Psychologe den Umgang mit Schönheit in der heutigen Zeit?
Wie bei vielen Dingen sehe ich eine zunehmende Kommerzialisierung des Themas. Schönheit ist ein Riesengeschäft sowohl für die Kosmetik, die Schönheitsprodukte wie auch für den medizinischen Sektor, in dem Operationen zunehmen. Alles Dinge, die wir uns vor 20, 30 Jahren gar nicht hätten vorstellen können. Natürlich kaufen sich Personen damit echte Nachteile ein, die oft nicht so klar gesagt werden. Sein Gesicht zu operieren bedeutet, dass man hinterher anders aussieht. Das kann zu einer Entfremdung führen, dass man sich selbst nicht mehr so gut erkennt und auch das Gefühl hat, dass man nicht mehr man selbst ist – auch im Umgang mit anderen Menschen. Ich glaube, das sind psychologische Gefahren von Schönheitsoperationen, die bisher zu wenig diskutiert werden.
Was würden Sie, als Psychologe, Menschen raten, die mit ihrem Aussehen unglücklich sind – auch bezogen auf das Alter, wenn sich die Schönheit verändert?
Aus der Forschung weiß man: Was Gesichter wirklich attraktiv macht, ist eine gesunde, glückliche Ausstrahlung – da kann man was tun, da kann man dran arbeiten, ohne sich operieren zu lassen. Denn Operationen sind in dem Fall nicht unbedingt assoziiert mit Gesundheit. Was am stärksten wirkt, sind Fröhlichkeit und Lächeln. Hinter der Präferenz für Schönheit steckt ja die Idee, dass die Biologie uns eingepflanzt hat, dass wir nach Schönheit suchen sollen, weil Schönheit ein Hinweis auf Gesundheit ist. Tatsächlich wirken ausgeschlafene, wohlernährte, zufriedene, glückliche Menschen, die psychisch stabil sind, einfach attraktiver, weil wir das am Gesicht sehen können. Die Idee dahinter ist, dass die Biologie will, dass wir bei der Partnerwahl – auch ausgelöst durch Gesichtsattraktivität – optimale, gesunde, gute Partner finden. Dazu muss man allerdings sagen, dass ja nicht nur schöne Menschen Partner finden, sondern beim Menschen als Spezies fast niemand leer ausgeht. Das ist eigentlich auch ein ziemlich guter Hinweis darauf, dass Schönheit alleine es nicht sein kann.