Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Wenn mal die Zeit oder die Finanzen knapp sind, gibt es viele Abenteuer, die man in der eigenen Stadt erleben kann. Abseits der klassischen Sehenswürdigkeiten – die von uns meist nur in fremden Städten besucht werden – gibt es auch eine Menge anderer Möglichkeiten, seine Stadt zu erkunden. Inspiriert von einem Projekt einer Studienkollegin, machten mein Freund und ich uns letzten Sommer auf den Weg, die Stadt Wien zu umrunden.

Im Vorfeld haben wir die Wiener Stadtgrenze in vier Etappen eingeteilt. Die ersten zwei Abschnitte über den Wienerwald bis zum Lainzer Tiergarten werden zu Fuß bestritten, die restlichen Kilometer vom Süden bis in den Nordosten mit dem Rad. Im Nachhinein muss ich sagen, dass dies ein ziemlich engagiertes Vorhaben war – immerhin gilt es, 136,5 Kilometer und etliche Höhenmeter zurückzulegen.

Ausgerüstet mit einer Wienkarte, starten wir unsere Expedition. Mit ein wenig Aufregung im Bauch steigen wir in Heiligenstadt in den Bus, der uns zu unserem ersten Grenzpunkt auf der Heiligenstädter Straße bringen wird. Ankommen, weiter zum Stadt-Ende-Taferl und ab ins Gebüsch! Es geht steil den Leopoldsberg hinauf und wir sind unschlüssig, ob das so eine gute Idee ist. Drei Schritte vor und einen wieder zurück, aber wir kommen weiter. Totale Stille, nur ein Mountainbiker kommt uns entgegen.

Da! Der erste Grenzstein! Wir sind am richtigen Weg und langsam hören wir das Kinderlachen vom Kletterpark näherkommen. Mit so einem Anstieg haben wir nicht gerechnet und kehren abgekämpft in der ersten Hütte ein. Diese Pause ist verdient. Wir studieren nochmal den Stadtplan – von jetzt an wird es einfacher. Die Grenze verläuft lange Zeit auf den markierten Stadtwanderwegen. Beim Hermannskogel biegen wir ab und sind bald wieder alleine im Wald unterwegs. Immer wieder überprüfen wir mittels Plan und GPS am Handy, ob wir noch richtig sind – aber der nächste Grenzstein lässt meistens nicht lang auf sich warten.

Beim Häuserl am Roan genießen wir den Ausblick über die Stadt. Weiter geht’s über den Stadtwanderweg, bis wir wieder zweisam durch den Wald spazieren. Wir biegen eine Kurve zu früh ab und das Navigieren zurück zur Stadtgrenze nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Uns wird klar, dass sich die erste Etappe nicht mehr wie geplant ausgehen wird, und beschließen, über die Sophienalpe abzukürzen. Auf der Hohen-Wand-Wiese kommen wir mit Einbruch der Dunkelheit wieder zurück in besiedeltes Stadtgebiet. Durch die vielen Eindrücke der ersten Etappe wächst die Freude auf die restliche Wien-Umrundung.

Per pedes rund um Wien

Am zweiten Tag, zurück in Mauerbach, wandern wir Richtung Liesing. Da hier keine Hütten am Weg sind, nehmen wir uns Verpflegung mit. Anfangs ist die Landschaft noch ähnlich jener am ersten Tag: Wir spazieren durch den Wienerwald. Aber bald ändert sich das Bild, denn die Grenze verläuft weiter über Straßen und durch Siedlungen.

Beim Moosgraben machen wir halt, um kurz zu picknicken. Spaziergänger freuen sich über uns, vermutlich sehen sie hier nicht oft Menschen sitzen. Nach ein paar Kilometern erreichen wir den Lainzer Tiergarten und es geht die Mauer entlang – zuerst steil bergauf und dann wieder bergab. Die Beine werden schwer und wir beschließen, durch den Tiergarten auf asphaltierten Wegen zu gehen, und beenden auf der Breitenfurter Straße die „Zu-Fuß-Etappe“.

Auf dem Drahtesel

Der dritte Tag fängt wieder in Liesing an, mit den Rädern umrunden wir Kaltenleutgeben und sind uns einig, dass das noch eine schöne Wanderroute wäre. Mit dem fahrbaren Untersatz zieht die Landschaft schneller vorbei und die Wahrnehmung verändert sich. Hier im Süden ist alles anders. Wir fahren durch die Ketzergasse, in deren Mitte die Stadtgrenze verläuft. Wir philosophieren darüber, wie komisch das ist, dass, obwohl die Anrainer in der gleichen Straße wohnen, die einen zu den Wien-Wahlen gehen und die anderen zu den niederösterreichischen.

Nach Vösendorf finden wir uns unter der Werbesäule einer Automarke wieder, die wir sonst nur vom Vorbeifahren auf der Südosttangente kennen. Ab jetzt ist die Landschaft flach und wir fahren entlang an Feldern auf dem Oberen Grenzweg Richtung Simmering. Die Baustelle Bahnhof Inzersdorf müssen wir umschiffen, aber bald sind wir wieder auf dem Weg Richtung Donau. Im Sauhaufen angekommen, beenden wir die Südetappe, um am nächsten Tag jenseits des Flusses fortzusetzen.

Im Umkreis von Wien

Der nächste Tag beginnt mit einem Frühstück auf der Donauinsel, um dann weiter über den Marchfeldschutzdamm in die Lobau zu gelangen, wo die Wien-Grenze nach der Donau wieder auf Land trifft. Plötzlich eine Reifenpanne. Ärgerlich! Wir können sie nicht beheben und müssen die ursprünglich letzte Etappe beenden.

Plan B: Wir gehen zur rund zehn Kilometer entfernten U-Bahn-Station. Während wir die Räder über die Schotterstraße schieben, bleibt ein Ehepaar stehen und fragt, ob wir Hilfe benötigen. Lachend erklären wir ihnen, dass uns nicht zu helfen ist, und erzählen ihnen von der Idee, Wien zu umrunden. Sie beschließen kurzerhand, ihren eigenen Ausflug abzubrechen und uns mit ihrem Kleinbus zu einem Radgeschäft zu bringen – denn sie wohnen ja nicht weit weg. Leider konnte uns dort akut auch nicht geholfen werden, weswegen wir letztendlich doch abbrechen.

Den letzten Tag starten wir mit einem Besuch bei unseren Rettern, um nochmal Danke zu sagen. Sie sind nicht da. Schon wieder sind wir nicht vorbereitet. Also hinterlegen wir die mitgebrachte Schokolade mit einem Hinweis – ein Stück Wien-Stadtplan. Dann geht es weiter in das Marchfeld und wir fahren auf Feldwegen entlang von Gemüsebeeten. Das Navigieren fällt hier leicht und so kommen wir relativ schnell voran. Über Stock und Stein geht es Richtung Bisamberg.

Die Donau City zieht links an uns vorbei, danach wird es wieder hügeliger. Die Grenze verläuft über den Bisamberg, jedoch ist dieser Abschnitt nur zu Fuß machbar. Also nehmen wir den letzten Anstieg auf dem Kallusweg und kommen uns vor wie bei Paris-Roubaix. Wir fühlen uns wie Helden, als wir beim Heurigen in Strebersdorf einkehren und bei einem guten Glas Wein unsere Tour nochmal Revue passieren lassen.

 

Rundumadum-Wanderweg um Wien

Wer nicht ganz so viel Abenteuer auf eigene Faust mag, dem sei der „Rundumadum“-Wanderweg der Stadt Wien empfohlen. Etappen: Nussdorf – Cobenzl, Cobenzl – Häuserl am Roan, Häuserl am Roan – Marswiese, Marswiese – Feuerwache Steinhof, Feuerwache Steinhof – Bahnhof Hütteldorf, Bahnhof Hütteldorf – Lainzer Tor, Lainzer Tor – Breitenfurter Straße/Liesingbrücke, Breitenfurter Straße/Liesingbrücke – Alterlaa, Alterlaa – Wienerberg, Wienerberg – Laaer Wald, Laaer Wald – Zentralfriedhof, Zentralfriedhof – Neu Albern, Neu Albern – Waldschule Lobau, Waldschule Lobau – Panozzalacke, Panozzalacke – Nationalparkcamp, Nationalparkcamp – Eßlinger Furt, Eßlinger Furt – Himmelteich, Himmelteich – Breitenleer Straße, Breitenleer Straße – Wagramer Straße, Wagramer Straße – Gerasdorf, Gerasdorf – Brünner Straße, Brünner Straße – Steinernes Kreuz, Steinernes Kreuz – Strebersdorf, Strebersdorf – Nussdorf

Infos: wien.gv.at/umwelt/wald/freizeit/wandern/rundumadum

Sandy Gold

Magazin Zoë 03/15

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