Psychosomatik ist ein Wort, das in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) als solches nicht existiert. Körper und Geist sind nach diesem Konzept stets eine Einheit – es wird als das Gleiche angesehen, das in verschiedenen Ausformungen aufeinander einwirkt. Körperliche und psychische Beschwerden werden demnach als absolut gleichwertig betrachtet. Das bedeutet, ein krankes Organ kann die entsprechende Emotion im Übermaß hervorrufen und eine übermäßige, andauernde Emotion kann das entsprechende Organ schädigen. Daher wirken sich alle TCM-Therapien, ob Kräutertherapie, Ernährung oder Akupunktur immer einstimmig auf den Körper, den Geist und die Seele der Betroffenen aus.

Auch wenn viele Menschen heutzutage die Begriffe Leber-Qi-Stau und Yang-Mangel schon einmal gehört haben – die chinesische Medizin sieht ein Organ oder auch ein Problem nie isoliert, sondern immer im Kontext des gesamten Funktionskreises bzw. der Wandlungsphasen. Es geht in der TCM nicht um eine bestimmte Krankheit, z.B. eine „kranke Lunge“, sondern um den Menschen als Ganzes in all seinem Sein. Der Körper ist das Abbild der Seele – Geist und Materie durchdringen sich gegenseitig. Krankheiten haben in der TCM immer eine körperliche und eine psychische Komponente, diese beiden Aspekte stehen immer im Zusammenhang.

Vice versa
Eine Lungenkrankheit kann aus Sicht der TCM zu tiefer Traurigkeit führen und umgekehrt kann sehr lang andauernde Trauer auch zu einer Lungenkrankheit führen. Für einen TCM-Arzt spielt es keine Rolle, ob Menschen ihm ihre emotionale Verfassung oder ihre körperlichen Beschwerden beschreiben. Die Anamnese erzielt ein kompetenter TCM-Arzt über das gesamte Erscheinungsbild – die körperlich vorgegebene Konstitution, vorangegangene Beschwerden und Lebensereignisse, wie der Mensch geht, sich bewegt, spricht, sich ausdrückt, sich ernährt. Er schaut auf seine Vitalität und Dynamik, seine Stimme, die Augen, das Hautbild oder auch den Zustand der Haare. Zudem bezieht er die gesamte Lebenssituation, Charakter und Emotionen mit ein und befragt ihn zu seinen Sorgen, Ängsten, zu Stress, der Arbeit und den Beziehungen. Die Zungen- und Pulsdiagnostik runden schließlich seine Diagnose ab.

Bewegte Gemüter
Da jedes Organ in einem gewissen Zusammenhang mit Emotionen steht, sind diese essentiell für die Diagnose. Auch wenn kurzfristig aufflammende Gefühle ihre Wirkung haben, handelt es sich aber maßgeblich um Emotionen, die dauerhaft mehr oder weniger bewusst einen harmonischen Zustand fördern oder behindern – also gesundheitsfördernd oder dementsprechend krankheitserregend sind. Gefühle machen erst dann krank, wenn sie sehr stark sind, sehr lange andauern und der Mensch die Kontrolle darüber verliert (sie verdrängt werden).

Eine Emotion ist eine Gemütsbewegung, die sich nach außen bewegt, gleichzeitig aber auch innerlich wirkt. Das bedeutet nicht, dass wir keine Gefühle mehr haben dürfen, weil wir sonst gleich krank werden. Im Gegenteil: Gefühle wie Wut, Zorn, Trauer, Liebe, Freude, Dankbarkeit, Hass oder Entspannung gehören zum Leben und wollen gelebt und gefühlt werden. Jedoch mit einem gesunden Maß und einer gewissen Dauer und Selbstregulierung. Egal um welche Emotion es sich handelt, ob Stress oder Euphorie – jedes Zuviel ist auf Dauer unangemessen und schädigend.

Äußere + innere Faktoren
Langanhaltender Zorn, Wut, Verbitterung oder Frust wirken auf Leber und Galle – auf Fachchinesisch auf die Wandlungsphase Holz. Schulmedizinisch gesehen sind dies meistens Patienten mit Vertigo, Tinnitus, Seh­störungen oder Neigungen zu Spasmen. Aber auch Wechselproblematiken gehören hier dazu. Schilddrüsenprobleme haben oft Menschen mit großen Sorgen und Existenzängsten – also Umstände, die einem tatsächlich an die Nieren gehen.

Inkontinenz, Libidomangel, Erkrankung der Lendenwirbelsäule und Knie, Ödeme, Hörprobleme oder allgemeine Schwäche sind ebenfalls dem Funktionskreis Niere-Blase zugeordnet. Das heißt aber nicht, dass die Niere selbst ein Problem haben muss. Trauer, Isolation, Husten, Amenorrhö oder Dyspnoe gehören zu Lunge/Dickdarm, also zum Metall-Element während ständiges Grübeln auf den Magen bzw. auf die Milz schlägt. Diese Störung im Element Erde kann unter anderem zu Völlegefühl nach dem Essen, Abgeschlagenheit, Süßverlangen, Neigung zu Candidainfektionen oder Blähungen führen.

Das Feuer ist dem Herzen und dem Dünndarm zugeordnet. Es steht für Freude, aber auch für Begierde und Erregung. Freude ist im Normalfall keine Krankheitsursache, sondern im Gegenteil ein wohltuender psychischer Zustand, der ein harmonisches Funktionieren der inneren Organe begünstigt. Übermäßige Freude kann aber auch in Hysterie enden, vor allem wenn man ständig mentale Stimulation braucht. Meistens leiden diese Menschen unter Palpitationen, Schlafstörungen, Übererregbarkeit, Unruhezustände oder bezeichnenderweise unter dem „Burn-out-Syndrom“.

Die fünf Elemente der Gefühle

Holz
Emotion: Zorn, Ärger, Aggression
Wirkung: Leber/Gallenblase

Feuer
Emotion: Freude, Euphorie,
Begierde
Wirkung: Herz/Dünndarm

Erde
Emotion: grübeln, sich sorgen,
im Kreis denken
Wirkung: Milz/Magen/Verdauung

Metall
Emotion: Kummer, Trauer,
Melancholie
Wirkung: Lunge/Dickdarm

Wasser
Emotion: Angst, Schock, Trauma
Wirkung: Nieren/Blase

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