Wenn Kopfschmerzen wiederholt, attackenweise und meist halbseitig auftreten und zudem mit Übelkeit, Brechreiz, Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit einhergehen, spricht die westliche Schulmedizin von Migräne. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es bei der Diagnose, Behandlung und Vorsorge aus Sicht der westlichen Medizin und der Traditionellen Chinesischen Medizin gibt, erklärt Prof. Dr. Alexander Meng, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und TCM-Arzt.
Manche Menschen haben bei Migräne vorübergehende neurologische Ausfälle, sehen Doppelbilder oder haben halbseitige Gesichts-, Arm- oder Bein-Symptome wie bei einem Schlaganfall. In Österreich leiden etwa zehn Prozent der Menschen unter dieser Krankheit – Frauen doppelt so häufig wie Männer. In der westlichen Medizin gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass Patienten mit Migräne auf diese westliche Therapie nicht optimal ansprechen.
TCM oder westliche Medizin
Hier kann eine Behandlung nach Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) oft helfen. Migräne ist eine Diagnose der westlichen Medizin. In der ganzheitlichen Sicht der TCM gibt es keine Migräne, denn es wird immer der psychische und physische Zustand des Menschen im Zusammenhang gesehen.
Wir eine Migräne entsteht, ist noch nicht ganz erforscht. Wahrscheinlich handelt es sich um eine vorübergehende Gefäßveränderung oder neurogene Entzündung. Auslöser sind meist Stress, Wetterwechsel, hormonelle Änderungen und der Verzehr von histamin-haltigen Lebensmitteln. Eine unerfüllte Sexualität kann genauso Grund sein. „Sexualität ist ein wichtiger Teilbereich des Lebens in Harmonie zwischen Yin (weiblich) und Yang (männlich). Diese ist sowohl aus stofflicher (hormonell, Yin) wie auch psychischer Sicht (Yang) elementar“, erklärt Prof. Dr. Alexander Meng, TCM-Arzt und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Aber Migräne kann auch scheinbar ohne Grund z.B. im Schlaf auftreten.
Was ist Migräne?
Von einer einfachen Migräne (ohne Aura) spricht man in der westlichen Medizin, wenn die attackenweise auftretenden Kopfschmerzen nach einigen Stunden bzw. längstens zwei bis drei Tagen verschwinden. Migräne (mit Aura) geht mit minutenlang vorausgehenden und neurologischen Ausfällen einher. Nach Verschwinden der Aura bleibt der Migräne-Schmerz stunden- bis tagelang bestehen. Von einer komplizierten Migräne spricht man, wenn das Gewitter im Kopf sieben Tage oder noch länger anhält.
„Ob es sich um starke Kopfschmerzen oder wirklich um eine Migräne handelt, muss unbedingt von einem Arzt diagnostiziert werden“, warnt Alexander Meng vor falsch gezogenen Schlüssen. Denn durch die unkontrollierte Selbstmedikation mit Schmerzmitteln kann eine gefährliche Spirale in Gang gesetzt werden, die einen zusätzlichen Schmerzmittelkopfschmerz auslöst. Wer Medikamente häufiger als an zehn Tagen im Monat einnimmt, läuft erst recht Gefahr, Dauerkopfschmerzen zu bekommen. „Nur der Arzt kann die Krankengeschichte genau erheben, Laboruntersuchungen und EEGs durchführen und gegebenenfalls auch ein Schädel-CT und MRT erstellen lassen“, so Alexander Meng.
Behandlungsmethoden
Die westliche Behandlungsmethode beruht auf der Vermeidung von bekannten Migräne-auslösenden Faktoren, einer Änderung des Lebensstils und der Einnahme von Schmerzmitteln wie Aspirin, Mittel gegen Brechreiz oder so genannten Triptanen. Letztere sind Arzneistoffe zur Akutbehandlung der Migräne und helfen Patienten in 40 bis 70 Prozent der Fälle. Sie werden am besten zu Beginn eines Anfalls eingenommen, unter die Haut gespritzt oder als Tablette, Nasenspray und Zäpfchen verabreicht. „Bei sehr schwierig einzustellenden Fällen kann eine zusätzliche Einnahme von Psychopharmaka sinnvoll sein“, so Alexander Meng.
Wenn Migränepatienten nicht optimal auf die Therapie ansprechen oder sie die Arzneimittel nicht vertragen, kann die TCM in mehr als 60 bis 70 Prozent der Fälle helfen. Dabei gibt es aus der ganzheitlichen Sicht der TCM die Diagnose „Migräne“ gar nicht. Die TCM berücksichtigt immer alle Faktoren des psychischen und physischen Zustandes des Menschen sowie seine Lebenssituation. Die Diagnose richtet sich nach folgenden drei Kriterien: Um welchen Meridian handelt es sich, welches Organ und in welcher Art und Weise und Zone tritt der Kopfschmerz auf?
Meridiane der Kopfregionen
Alexander Meng: „Die Meridiane der Kopfregionen haben lokale Zonen und stehen mit Organen, Armen und Beinen in einer so genannten Reflexbeziehung. Mit Akupressur oder Akupunktur an Kopf, Armen, Beinen oder Rumpf wirkt man dem Kopfschmerz entgegen. In akuten Fällen kann der Patient bestimmte Akupressurpunkte selbst massieren.“ Dabei werden die Energieblockaden (Qi-Stagnationen) im Meridiankreislauf aufgelöst und Dysbalancen im Funktionskreis der Organe (Darm, Atmung, Kreislauf und Niere) ausgeglichen. Sogar eine Reduktion der Medikamenteneinnahme ist nach Behandlungserfolgen oft möglich – aber auch diese Entscheidung trifft der Arzt.
Wie im Westen, so empfiehlt man auch im Osten eine Änderung des Lebensstils. Das betrifft die richtige Ernährung nach TCM und Bewegung in Form von Qigong und Taijiquan. Zudem sollte man alle auslösenden Faktoren für Migräne-Attacken erkennen und vermeiden: bestimmte Weine (meist Rotwein), Käse, Schokolade, Südfrüchte, Fackellicht, Höhe, Lärm oder verrauchte Räume. In Sachen Prävention setzt die TCM vor allem auf „die innere Mitte“ – dem Organkreis Milz/Magen. „Die Mitte hält alle Organe zusammen und versorgt sie mit Wärme, Blut und Energie. Sie ist das Fundament des postnatalen Lebens“, erklärt Alexander Meng, „Hier ist die Quelle des Blutes und der Vitalenergie. Hier werden alle physiologischen Prozesse verarbeitet. Energie und Nährstoffe werden hier aufgenommen. Gesunde Ernährung und Verdauung garantieren daher auch einen gesunden Geist.“